„Sechzehn unzüchtige Frauen … das kann man ja nicht Mord nennen“, sagt die Ehefrau des Serienmörders Saeed Hanai der Presse. Im Hintergrund ist eine Fotografie ihres Mannes zu sehen – ein Maurer, der wegen des Mordes an mindestens 16 Prostituierten im Gefängnis auf seinen Prozess wartet. Wachsam blickt der Gatte aus dem Foto auf seine Frau herab und bedeutet ihr mit strenger Geste, den Presseleuten nicht zu viel zu erzählen.

Mana Neyestani (Text und Teichnungen): „Die Spinne von Mashhad“.
Aus dem Französischen von Christooh Schüler. Edition Moderne, Zürich, 2018. 164 Seiten. 22 Euro
Basierend auf Interviews zweier mit dem Fall befasster Journalisten erzählt Neyestani die wahre Geschichte des Serienmörders Saeed Hanai, der in der als heilig geltenden Stadt Maschhad 16 Prostituierte ermordete, indem er sie zu sich nach Hause lockte und erwürgte. Der Comic beschäftigt sich mit der Psyche des „die Spinne von Maschhad“ genannten Täters, der sich als Soldat Gottes versteht und daher für unschuldig hält. Wie bereits in seinem Debüt „Ein iranischer Albtraum“ blickt Neyestani, dessen Zeichenstil an seine Vorbilder George Grosz oder Otto Dix erinnert, auf die Gegenwart des Iran und zeigt aus der Innenperspektive die repressiven Strukturen des Landes, aus dem er nach einem Gefängnisaufenthalt 2006 nach Malaysia und später nach Frankreich fliehen konnte.
Dieser Text erschien zuerst in: Jungle World 28/2018
Hier findet sich eine weitere Kritik zu „Die Spinne von Maschhad“, hier ein Interview mit Mana Neyestani.
Jonas Engelmann ist studierter Literaturwissenschaftler, ungelernter Lektor und freier Journalist. Er hat über „Gesellschaftsbilder im Comic“ promoviert, schreibt über Filme, Musik, Literatur, Feminismus, jüdische Identität und Luftmenschen für Jungle World, Konkret, Zonic, Missy Magazine und andere, ist Mitinhaber des Ventil Verlags und Co-Herausgeber des testcard-Magazins.