Wohin man in der Comic-Welt schaut: Überall treiben sich seit einiger Zeit Zombies herum. Angefangen hat es mit der US-amerikanischen Serie „The Walking Dead“, die seit knapp 15 Jahren erscheint und fast schon ein moderner Klassiker ist. Inzwischen gibt es, unter anderem, Comics, die den Untoten komische Seiten abgewinnen („Als die Zombies die Welt auffraßen“); es gibt Zombie-Wimmel- und Ausmalbücher und natürlich japanische Zombie-Comics, mal im lupenreinen Manga-Stil („Highschool of the Dead“), mal an westlicher Ästhetik orientiert („I Am a Hero“).

Olivia Vieweg (Text und Zeichnungen): „Endzeit“.
Carlsen, Hamburg 2018. 288 Seiten. 22 Euro
„Endzeit“ ist 2012 schon einmal veröffentlicht worden. Für die Zweitausgabe hat Vieweg den Band zeichnerisch überarbeitet und massiv erweitert. Aus einer 70-seitigen Talentprobe ist so ein nahezu 300-seitiges Meisterstück geworden – ein Zombie-Comic der anderen Art, der dem Genre gerecht wird und es zugleich in subtiler Weise erneuert. Neben den üblichen Schockszenen stehen stille, poetische Momente; dazu versteht Vieweg es, einfühlsam und in bedeutungsvoller Knappheit von seelischen Verletzungen zu erzählen. Das erhebliche Ausbauen der Handlung – das erste Viertel der aktuellen Version etwa ist komplett neu – führt keineswegs zu Redundanz, sondern zu epischer Weite und einer vertieften Charakterisierung der Figuren.
Einen ungewöhnlich breiten Raum nimmt die Darstellung der Natur ein. Manche der wandelnden Leichen verwandeln sich in pflanzenartige Wesen; eine afrikanische Hitze liegt über dem Land; überall wuchert und blüht es. Die hervorragende Kolorierung des Comics vermittelt diese Savannen- und Glutatmosphäre in ebenso berückender wie bedrückender Weise. „Endzeit“ hat auch Züge einer Öko-Dystopie: Die Menschen, meint Vivi einmal, hätten Mutter Erde „zu lange keine Miete gezahlt“, daher seien die Zombies nun „die Räumungsklage“.

Levin Kurio (Text und Zeichnungen), Roman Turowski (Text und Zeichnungen): „Zombie Terror #1-5“.
Weissblech Comics, Schönwalde 2016-1018. Je 36 Seiten. Je 4,90 Euro
„Zombie Terror“ erscheint seit 2016 in unregelmäßigen Abständen als Heftserie im kleinen Weissblech Verlag, der auch Titel wie „Hammerharte Horrorschocker“, „Kala, die Urweltamazone“ und den von Jörg Buttgereit geschriebenen „Captain Berlin“ herausbringt. Die großen, unverrückbaren Vorbilder der Weissblech-Crew sind einerseits die seinerzeit skandalösen EC-Horrorcomics der Fünfziger, andererseits die frühen Arbeiten von Richard Corben. Das ist eine Selbstbeschränkung, die in ihrer Sturheit ein wenig an Neo-Garagenbands erinnert, für die das Jahr 1966 nie zu Ende gegangen ist. Aber ebenso wie deren Musik in Ordnung sein kann, haben auch diese Comics durchaus ihren Reiz.
So sind die Zeichnungen von Lewin und Turowski zwar alles andere als virtuos, besitzen in dem Rohen, Holzschnitthaften, das ihnen eigen ist, jedoch einen beträchtlichen Underground-Charme. Außerdem bleibt es auch in „Zombie Terror“ nicht beim bloßen Splatter, sondern es ist Platz für Satire und Ironie. Eine frühe Episode wird teilweise aus der Perspektive einer Ratte erzählt; später bekommen Verschwörungstheoretiker und Reichsbürger – die sich hier zur „Neuen deutschen Wehrmacht“ formiert haben – ihr Fett weg. „Zombie Terror“ ist reflektierter Trash – cheap thrills sind reichlich vorhanden, aber den Kopf muss man bei der Lektüre nicht abschalten.
Dieser Text erschien zuerst am 24.10.2018 in der taz.
Christoph Haas lebt im äußersten Südosten Deutschlands und schreibt gerne über Comics, für die Süddeutsche Zeitung, die TAZ, den Tagesspiegel und die Passauer Neue Presse.