„Fix und Foxi“ – Teil 1 Oder: Mitunter trifft man sich im Leben dreimal

Postermotiv aus Fix und Foxi 39/1969 (© Rolf Kauka / Promedia)

Seit 1977 schrieb der Schriftsteller und Comicautor Peter Mennigen zunächst deutsche Geschichten für Comicreihen wie „Gespenster Geschichten“, „Spuk Geschichten“, „Conny“, „Biggi“, „Vanessa“, „Felix“, „Lasso“, „Phantom“, „Axel F.“ und zahlreiche weitere Serien des Bastei Verlags. Ab den 90er Jahren arbeitete er für andere Verlage wie Egmont (Disney-Magazine), Panini (Jessy, Sternentänzer, Willi will‘s wissen) und Ravensburger (u.a. Fix und Foxi). In dieser Zeit verfasste er auch internationale Comics: „Lucky Luke“, „Schlümpfe“, „Bessy“ und „Isnogud“. Aktuell arbeitet er zusammen mit Ingo Römling an der Mystery-Steampunk-Serie „Malcolm Max“. Für comic.de blickt er in unregelmäßigen Abständen zurück auf seine Arbeit im deutschen Comicverlagsgeschäft.

Hier findet sich der 2. Teil, hier der 3.

Rolf Kaukas „Fix und Foxi“ begegnete ich erstmals in meiner Vorschulzeit, irgendwann in der zweiten Hälfte der 1950er Jahre. Bis dahin hatte ich mir am liebsten „Micky Maus“-Comics so lange vorlesen lassen, bis ich die Texte auswendig wusste. Allerdings kostete ein „Micky Maus“-Heft stolze 75 Pfennige, ein für mich astronomisch hoher Preis. Der Krieg lag zwar schon einige Jahre zurück, aber seine Nachwirkungen waren – zumindest in meinem Umfeld – immer noch spürbar. Das wenige zur Verfügung stehende Geld reichte kaum zum Leben, was Dinge wie „Comics“ zu einem Luxusgut machten, das man sich nur sehr selten leisten konnte.

Ich erhielt kein Taschengeld, deshalb dauerte es stets etliche Monate, bis ich die 75 Pfennige für ein neues „Micky Maus“-Heft zusammengespart hatte. So um 1956 bekam ich per Zufall ein „Fix und Foxi“-Heft in die Hände. Mit 50 Pfennigen war der Comic nicht nur bedeutend preiswerter als „Micky Maus“, die Geschichten waren auch ganz anders.

So um 1956 bekam ich per Zufall ein „Fix und Foxi“-Heft in die Hände. Mit 50 Pfennigen war der Comic nicht nur bedeutend preiswerter als „Micky Maus“, die Geschichten waren auch ganz anders.
Copyright Cover © Rolf Kauka / Promedia

Der „Kauka Verlag“ pries das Heft als „lustige Kinderlektüre“ an, doch ich empfand die Storys überhaupt nicht zum Lachen. Sie waren düster und bedrohlich. Zumeist besaßen sie etwas Märchenhaftes. Weniger im Sinne possierlicher Geschichten mit sprechenden Tieren, sondern mehr in Richtung der Gebrüder Grimm mit ihren Schauergeschichten um kannibalistische Hexen. Wobei Oma Eusebia anfangs die Rolle einer solch bitterbösen Hexe zukam, während ihrem durchtriebenen Neffen Lupo alles Böse dieser Welt zuzutrauen war. Die beiden machten mir richtig Angst und die Geschichten waren prädestiniert, mir Albträume zu bescheren. Aber trotzdem – vielleicht auch gerade deswegen – fand ich sie interessanter als die netten, kindgemäßen Comics in „Micky Maus“. Kurzum, von da an setzte ich alles daran, kein „Fix und Foxi“-Heft mehr zu verpassen und blieb der Serie treu bis zu ihrem letzten Heft.

Ursächlich dafür war, dass „Fix und Foxi“ mit mir „erwachsen“ wurde. Die Geschichten entwickelten sich weg vom Märchenhaften, hin zu abwechslungsreichen Storys. Rolf Kauka verstand es, das Heft durch neue Serien lebendig, interessant und zunehmend am Puls der Zeit zu halten. Beispielsweise durch die Karl-May-Adaptionen von Walter Neugebauer zu Beginn des „Winnetou“-Hypes aufgrund der Kinofilme. Oder die Publikation der populären Fernsehserie „Raumpatrouille Orion“ als Fotocomics.

Anfang der 1960er Jahre veröffentlichte Kauka mit „Pitt Pistol“ den ersten Comic von Albert Uderzo und René Goscinny in Deutschland. Es folgten weitere französisch/belgische „Hochkaräter“ wie „Pit und Pikkolo“ (Spirou) und die „Schlümpfe“. In dem „Fix und Foxi“-Spin-off-Magazin „Lupo“, bzw. „Lupo Modern“, das später in „Tip Top“ umbenannt wurde, wurden Serien wie „Lucky Luke“, „Sigi und Babarras“ (Asterix) sowie „Rolf und Miki“ (Mick Tanguy) publiziert. Mögen heute einige Comic-Enthusiasten über die „eingedeutschten“ Veröffentlichungen die Nasen rümpfen, doch zu dieser Zeit öffneten sie mir und vielen anderen Lesern das Tor zu vollkommen neuen und grandiosen Comic-Welten. Das war mit ein Grund, dass mein Interesse an Comics nie nachließ. Damals hatte ich keine Ahnung, welch wichtige Rolle „Fix und Foxi“ in meinem Leben zukommen sollte. Nicht nur, dass der Comic ausschlaggebend für meine Berufswahl als Autor sein würde, sondern auch, dass ich eines Tages ebenfalls „Fix und Foxi“-Geschichten schreiben sollte.

Ab „Lupo“ Ausgabe 7 erschienen erstmals „Lucky Luke“ und das erste albenlange Abenteuer von „Pit und Pikkolo“ (Spirou) bei Kauka.
Copyright Cover © Rolf Kauka / Promedia

Meine zweite Begegnung mit Rolf Kaukas „Fix und Foxi“ fand im Jahre 1977 auf einer professionellen Ebene statt. Bereits zehn Jahre zuvor hatte ich wider alle Vernunft die Entscheidung getroffen, Comiczeichner zu werden. Deshalb schöpfte ich danach jede Möglichkeit aus, meinen Plan von meinem Traumjob umzusetzen. Das Tückische an Träumen ist, sie funktionieren zumeist so lange wunderbar, bis sie mit der Realität kollidieren. Will heißen: Mit Abschluss des Kunststudiums schlug die Stunde der Wahrheit. Um meinen Lebensunterhalt zu verdienen, musste ich mich den Gegebenheiten stellen. Die da lauteten: In Deutschland produzierte seinerzeit nur ein Verlag eigene Comics: Kauka. Das schränkte wiederum meine Optionen etwas ein. Ich hatte nur einen Schuss und der musste sitzen.

Andererseits hatte Rolf Kauka zwei oder drei Jahre zuvor in einem Interview verkündet, dass er eine „Comic Akademie“ ins Leben rufen wolle, an der junge Talente zu Comiczeichnern ausgebildet werden würden. Dass das Ganze nur eine Art Absichtserklärung gewesen war und es nie eine solche „Comic Akademie“ gab, erfuhr ich erst später. Weshalb es im Nachhinein vielleicht klüger gewesen wäre, erst mal bei Kauka anzufragen, ob an der Akademie ein Platz frei war und welche Kriterien erfüllt werden mussten, um den zu ergattern. Vermutlich dachte ich in meinem jugendlichen, von jeglichem Selbstzweifel befreiten Optimismus, dass man mit Hartnäckigkeit auch Unmögliches möglich machen konnte. Also machte ich mich ans Werk, eine Bewerbungsmappe für die „Kauka Akademie“ zusammenzustellen.

Dafür erfand ich ein Potpourri aus mehreren längeren „Fix und Foxi“-Geschichten und eine Reihe lustiger One-Pager. Da ich mit den Kauka-Figuren von klein auf vertraut war, stellte die Aufgabe keine große Herausforderung dar. Nachdem die Skripte standen, folgte ihre Umsetzung als gezeichnete Comics, was zwei bis drei Monate in Anspruch nahm. Die Mappe mit den Illustrationen schickte ich dann an den „Kauka Verlag“ nach München. Voller Zuversicht, dass die Arbeiten gut genug waren, um eine Anstellung als „Fix und Foxi“-Zeichner – oder zumindest einen Ausbildungsplatz an der „Kauka Akademie“ – zu gewährleisten. Eigentlich hatte ich mit keiner schnellen Antwort von Seiten des Kauka Verlages gerechnet. Umso unerwarteter stand der Postbote nur wenige Tage später vor meiner Haustür und brachte meine Bewerbungsmappe zurück, inklusive eines Ablehnungsschreibens.

Vor vielen Jahrzehnten, als ich Comiczeichner werden wollte, bin ich oft mit Zeichenblock und Tuschfeder raus in die Natur und habe alles skizziert, was mir so vor die Augen kam.

Der Brief stammte von dem damaligen Chefredakteur Manfred Klinke. Nett formuliert bedauerte er es, mir eine Absage erteilen zu müssen. Begründung: Sämtliches „Fix und Foxi“-Artwork stammte von Studios und Zeichnern aus Spanien und Italien, die bei Kauka unter Vertrag standen. An deutschen Zeichnern bestand somit weder Bedarf noch Interesse. Es folgte ein längerer Abschnitt, in dem er mir das Warum und Wieso erklärte. Allerdings überflog ich die Zeilen nur flüchtig, da vor meinem geistigen Auge gerade meine Zukunft zerbröselte. Typischer Fall von „auf den falschen Gaul gesetzt“, „alles riskiert und alles verloren“.

Im Grunde genommen schien es nur eine Lösung zu geben. Nämlich das zu tun, was Don Martin einmal in einem „MAD“-Strip sehr anschaulich in Szene gesetzt hatte: Sich in eine Kloschüssel stellen und den Abzug ziehen. Doch dann las ich den letzten Satz des Briefes, der mein ganzes Leben verändern sollte. Manfred Klinke schloss sein Schreiben mit der Bemerkung, dass ihm meine Geschichten gut gefallen hätten. Deswegen müssten wir unbedingt mal miteinander telefonieren.

Ohne die leiseste Ahnung, was mich erwartete, rief ich ihn umgehend an. Manfred Klinke entpuppte ich als überaus sympathisch. Er schlug vor, dass ich einige Exposés für „Fix und Foxi“-Geschichten schreiben und ihm zuschicken sollte. Zwei oder drei Tage später waren sechs Exposés von mir in der Post. Noch in derselben Woche lud mich Manfred Klinke in den Verlag ein, wo wir alles weitere persönlich besprechen würden. In München erwartete mich als Erstes eine kleine Enttäuschung. Bis dahin verband ich den Verlagssitz von Rolf Kauka immer mit einem romantischen Schloss im noblen Villenviertel Grünwald. Inzwischen war der Kauka Verlag in die oberen Stockwerke eines nüchternen Bürohauses umgezogen.

Eines meiner „Frühwerke“ aus dem Jahre 1977, das die Zeit überstanden hat: Eine kleine Charakterstudio von Lupo. Quasi zum „Warmzeichnen“, bevor ich die „Fix und Foxi“-Comics für den Kauka Verlag gezeichnet habe.


Manfred Klinke begrüßte mich in seinem Büro kumpelhaft wie einen alten Bekannten. Er ließ sich lobend über meine Exposés aus und überreichte mir dafür einen Scheck über hundertachtzig D-Mark. Würde mir heute jemand einen Scheck über hundertachtzigtausend Euro geben, ich könnte mich nicht mehr darüber freuen als damals über mein erstes Honorar als Comic-Autor. Manfred Klinke bat mich, ihm von nun an regelmäßig Exposés zu schicken.

Wir redeten ein, zwei Stunden über „Fix und Foxi“, dann zeigte er mir die Verlagsräume und stellte mich den Redakteuren vor. Erstaunlich fand ich, dass die Comics zwar in ausländischen Studios gezeichnet wurden, deren Kolorierung jedoch im Verlag erfolgte. In einem größeren Zimmer saß etwa ein halbes Dutzend Koloristinnen wie an Schulbänken und färbte das Schwarz-Weiß-Artwork mit Pinsel und Eiweißlasurfarben mittels einer streng vorgegebenen Farbpalette ein. In einem anderen Raum hatte der Zeichner Branimir „Branko“ Karabajić sein Atelier. Der kroatische Künstler schrieb und zeichnete meine „Fix und Foxi“-Lieblingsserie über den Maulwurf „Pauli“. Karabajić war sehr höflich und zurückhaltend. Wir unterhielten uns lange über Pauli und auch neuere Comics wie „Howard the Duck“.

Aus dem offiziellen Fix und Foxi-Styleguide: Fix und Foxi.
Copyright © Rolf Kauka / Promedia

Abends ging es dann zurück nach Hause. Im Glauben, dass ich nach den Gesprächen mit Manfred Klinke und „Branko“ Karabajić plus meiner ersten Autorengage am Ziel meiner Wünsche angekommen sei. Zwar nicht wie erhofft als Comiczeichner, aber immerhin als Autor. Was konnte in meiner beruflichen Laufbahn jetzt noch schiefgehen? So einiges. Beispielsweise, dass ich kein Feedback bezüglich meiner nächsten Exposés erhielt, die ich Manfred Klinke geschickt hatte. Dies kam mir nach seiner Euphorie über meine ersten Storys seltsam vor. Andererseits wollte ich mich nicht aufdrängen und geduldete mich zwei, drei Wochen, ehe ich beim Verlag anrief. Doch Manfred Klinke war nie zu erreichen. Erneut schickte ich ihm einige „Fix und Foxi“-Exposés, in der Annahme, dass ihm meine alten missfallen hatten. Wieder kein Feedback. Aus den Wochen seit dem letzten Kontakt waren inzwischen Monate geworden. Am Telefon hieß es entweder, Manfred Klinke sei außer Haus oder krank. Irgendwann teilte mir eine Angestellte mit, dass der ehemalige Chefredakteur nicht mehr bei Kauka tätig sei. Auf meine Frage, an wen ich meine Exposés schicken sollte, meinte sie nur kurz angebunden, man lasse die Comics jetzt komplett in den Studios schreiben, in denen sie auch gezeichnet würden. Weshalb kein Interesse an meinen Geschichten bestünde.

Mein Einstieg ins professionelle Comicgeschäft verlief somit holpriger als erwartet und bedeutete einen ziemlichen Rückschlag für meine Zukunftsplanung. Kein Job, kein Einkommen. Die Aussicht auf Besserung war so fern wie Pluto (der Planet, nicht der Hund). Durch die bittere Pille ließ ich mich jedoch nicht beirren. Es sollte noch etliche berufliche Rückschläge in meinem Leben geben, die allesamt eines gemeinsam hatten: Ihnen folgte immer etwas Besseres, als ich ansonsten erreicht hätte. Wäre ich als Autor bei „Fix und Foxi“ geblieben, hätte ich mich vermutlich niemals – weil aus der Not geboren – beim Bastei Verlag beworben. Und somit auch nie all die Comics, Bücher und Fernseh-Skripte geschrieben, die aufgrund meiner Arbeit bei Bastei folgen sollten.

Von Manfred Klinke hörte ich erst im Jahre 2016 wieder. Auf seiner Homepage teilte der frühere Kauka-Chefredakteur Peter Wiechmann mit, dass Manfred Klinke im Dezember 2015 verstorben sei.

Nach der ernüchternden Erfahrung mit Kauka im Sommer 1977 rechnete ich nicht im Entferntesten damit, irgendwann noch einmal beruflich mit „Fix und Foxi“ zusammenzutreffen. Ich sollte mich irren. Wieder kam alles ganz anders, als von mir gedacht. Meine dritte „Begegnung“ mit Fix und Foxi erfolgte um die Jahrtausendwende. Ebenso unbeabsichtigt wie urplötzlich fand ich mich im Zentrum des „Fix und Foxi“-Relaunches wieder, dessen ambitioniertes Ziel es war, die beiden Comic-Füchse zur Nummer 1 unter den hiesigen Merchandising-Produkten zu machen.

So ganz ausgeträumt war mein Traum vom Comiczeichnen nach dem Rückschlag beim Kauka Verlag noch nicht. 1979 bewarb ich mich bei dem deutschen Comic Magazin ZACK mit einem Westerncomic, von dem ich bereits 14 Seiten fertig gezeichnet hatte. Leider erfolglos, möglicherweise auch deshalb, weil das Magazin gerade mit Schwierigkeiten zu kämpfen hatte, die im Jahr darauf zu seiner Einstellung führten. Danach hängte ich meine Ambitionen, als Comiczeichner meinen Lebensunterhalt zu verdienen, an den Nagel. Ich machte einen klaren Schnitt und entsorgte so gut wie alle meine Zeichnungen im Hausmüll.
Manchmal taucht das eine oder andere Relikt, das die Form meiner „Vergangenheitsbewältigung“ überstanden hat, irgendwo auf. So wie dieses halbfertige Bild des besagten Westerns. Es ist das erste Panel von Seite 15, das nur deswegen von mir übersehen wurde, weil es noch auf dem Reißbrett festgepinnt war.