Mama Papa Zombie

Das Horror-Trio Stephen King, George A. Romero und Bernie Wrightson verbeugt sich in „Creepshow“ vor den alten EC Comics.

Wohligen Grusel kannten wir vormals eigentlich nur aus den bunten Gespenster Geschichten (wahlweise auch Spuk Geschichten), in denen im Grunde genommen eher harmlose Geister-Storys über verwunschene Schlösser und verfluchte Gemäuer stets mit dem geflügelten Wort „Seltsam, aber so steht es geschrieben“ endeten. In den Seiten der lieblos zusammengeschnippelten Williams-Superbände dagegen entdeckten wir dann eher harten Tobak, wo in einer schlicht „Horror“ betitelten Reihe allerlei Abseitigkeiten, handfester Terror und auch perfider schwarzer Humor dominierten. Dahinter verbargen sich deutsche Ausgaben der DC-Reihen „Witching Hour“ und „House Of Mystery“, die in Stil und Duktus in der Tradition der berüchtigten EC-Comics standen, mit denen Verleger William Gaines vor allem in den 50er Jahren Juwelen des Horror- und Science-Fiction-Genres lieferte. In Reihen wie „Tales from the Crypt“, „Vault of Horror“ und „Weird Science“ kredenzten Top-Autoren und -Zeichner wie etwa Wally Wood aufsehenerregende short stories und teilweise krassen, zeitgenössische Themen wie Rassismus und Selbstjustiz obduzierenden Grusel, wobei die Geschichten stets von einem ominösen „Crypt Master“ umrahmt wurden, der die Leser:innen heimelig mit „fiends“ ansprach.

Stephen King (Autor), Bernie Wrightson (Zeichner): „Creepshow“.
Splitter Verlag, Bielefeld 2021. 72 Seiten. 19,80 Euro

Kein Wunder also, dass die EC-Comics einer der zentralen Angriffspunkte waren, die Frederic Werthams als Studie ummäntelte reaktionäre Polemik „Seduction of the Innocent“ Mitte der 1950er ins Visier nahm und mit Vehemenz in den Orkus schleuderte. Was Wertham nicht ändern konnte, war der nachhaltige Eindruck und fast schon legendäre Ruf, den die EC-Comics bei der Generation genossen, die sie in ihrer Kindheit und Jugend mit heißen Ohren verschlungen hatte. Zu ebenjenen gehörten Regisseur George A. Romero, der seit Ende der 1960er mit seinen Zombie-Filmen die US-Gesellschaft fein säuberlich sezierte, und Stephen King, der in den 1970ern mit den Romanen „Carrie“, „Brennen muss Salem“ und „The Shining“ zum Horror-Starautor aufgestiegen war. Nach dem veritablen kommerziellen Flop „Knightriders“ (der mittlerweile Kultstatus genießt), in dem Stephen King sein Leinwanddebüt gab, tat man sich Anfang der 1980er erneut zusammen, um eine liebevolle Hommage an die 50er-EC-Werke abzuliefern. Dabei steuerte King insgesamt fünf Storys bei, von denen zwei auf bereits veröffentlichten Geschichten beruhten.

Umfasst von einer Rahmenhandlung, in der ein Pimpf (gespielt von Stephen Kings Sohn, der mittlerweile unter dem Namen Joe Hill selbst als Schriftsteller für Aufsehen sorgt) von seinem Vater für den Genuss von Horror-Comics gemaßregelt wird (eine feine Parodie der Wertham-Studie), entfaltet eine düstere Gestalt namens „Creep“ nach einer kurzen Einführung die jeweiligen Geschichten. Dabei legte Romero auch optisch Gewicht auf die Comic-Herkunft des Stoffs, indem er Spezialeffekte-Meister Tom Savini engagierte, der stets ein animiertes Intro inszenierte, was dann in Live-Action-Szenen überging, die in entscheidenden Momenten zusätzliche Comic-Elemente (expressiv rote Farbgebung für die Schreck- und Gewaltsequenzen oder Bildvignetten) enthielten. So führte der Creep durch den Reigen der Storys: In „Father’s Day“ rächt sich ein gemeuchelter Familientyrann aus dem Jenseits, „The Lonesome Death Of Jordy Verrill“ liefert mit einem von einer außerirdischen Lebensform heimgesuchten Hillbilly (gespielt von Stephen King) eine feine Variation von Lovecrafts „The Colour Out Of Space“, in „Something to tide over you“ nimmt ein gehörnter Ehemann grausame Vergeltung an Frau und Liebhaber, „The Crate“ erzählt – wie der Creep schon am Anfang ankündigt –, was wirklich aus dem Ding aus einer anderen Welt wurde, und „They’re creeping up on you“ führt einen gewissenlosen Firmenlenker seiner gerechten Bestrafung in Gestalt von Unmengen an Küchenschaben zu.

Mit expressiver Gestaltung, einer mehr als hochkarätigen Besetzung (neben Stephen King geben sich z. B. Leslie Nielsen, Ed Harris, Ted Danson, Adrienne Barbeau und Fritz Weaver die Ehre) und fiesen Seitenhieben auf die Medienbesessenheit und Wissenschaftsfeindlichkeit der US-Gesellschaft (der Mörder in „Somethin to tide over you“ bannt alles auf Video, und Verrill, bei dem im Fernsehen Reagansche Anti-Rot-Propaganda läuft, lässt sich lieber mit Moos überwachsen, als Hilfe beim Arzt zu suchen – kennen wir ganz aktuell wieder irgendwoher, oder?) avancierte der Film zum achtbaren Hit, dem man gleich zum Erscheinen 1982 ganz folgerichtig nicht das allseits beliebte Buch zum Film, sondern eine Comic-Fassung zur Seite stellte. Altmeister Bernie Wrightson, seinerzeit „Heavy Metal“-Magazin-Star, inszenierte als kongenialer 50er-Jahre-Schüler die fünf Episoden in durchgängig schaurigem Duktus, wobei die Rahmenhandlung des Films entfällt, der Creep aber immer noch wie in seligen EC-Comics jeweils zu den Geschichten einlädt (die Leser:innen dabei aber als „Kinder“ anspricht). Offenkundig als Ergänzung zur erfolgreichen Gespenster-Geschichten-Reihe brachte der Bastei-Lübbe-Verlag die Sause 1989 schon einmal hierzulande in einer Ausgabe auf den Markt, die mittlerweile nur noch als teures Sammlerexemplar zu finden ist. Umso lobenswerter also, dass man uns bei Splitter ein schön aufgemachtes, großformatiges Hardcover spendiert, das mit einem kenntnisreichen Essay von Sven Jachmann sowie diversen Szenenfotos aufwartet. Wir sagen: Creeps!

Dieser Text erschien zuerst auf Comicleser.de.

Holger Bachmann ist Autor diverser Bücher und Aufsätze zur Film- und Literaturgeschichte. Neben Comicleser.de schreibt er auf kühleszeug.de über Konzerte und geistvolle Getränke.

Seite aus „Creepshow“ (Splitter Verlag)