Bundesrepublikanische Mentalitätsgeschichte: 70 Jahre Fix und Foxi

1953 veröffentlichte Rolf Kauka seine erste Geschichte mit den beiden Fuchsbrüdern Fix und Foxi. 2023 feiern die beiden ihren 70. Geburtstag – mit gleich mehreren Publikationen zum runden Jubiläum.

Wer behauptet, Comics hätten es derzeit in Deutschland aus verschiedenen Gründen nicht leicht, wird mit den 1950er Jahren eine Zeit entdecken, in der die Bedingungen noch schwieriger waren. Nach der grundsätzlichen Ablehnung der Bildergeschichten als „Schmutz und Schund“ durch die Nationalsozialisten wurde das Medium in den 1950er Jahren in Deutschland erst allmählich von einer breiteren Masse wahrgenommen. 1951 erschien das „Micky Maus“-Magazin bei Ehapa und machte deutsche Kinder und Jugendliche mit den US-amerikanischen Comics vertraut, und der Erfolg führte dazu, dass deutsche Autor*innen und Zeichner*innen sich an eigenen Serien versuchten. Bob Heinz schuf 1954 die Funny-Serie „Jan Maat“, Hannes Hegen 1955 in der DDR die „Digedags“. 1953 importierte Walter Lehning diverse Piccolo-Serien aus Italien und etablierte mit Hansrudi Wäschers langlebiger Serie „Sigurd“ einen Bestseller dieser Jahre, für den sich heute fast niemand mehr interessiert. Im selben Jahr schuf Rolf Kauka Fix und Foxi, die in diesem Jahr ihren 70. Geburtstag feiern.

Carlsen hat zu diesem Anlass nun einen Sammelband in der Reihe „Die Bibliothek der Comic-Klassiker“, in der zuvor etwa Nick Knatteron, Popeye und Strizz einen Platz fanden, veröffentlicht. Der Band umfasst neben „Fix und Foxi“ auch weitere von Rolf Kauka erdachte Geschichten um die Figuren Mischa, Pauli, Tom und Biber sowie Lupinchen, Eusebia, Diabolino und Fridolin, die allesamt zwischen 1953 und 1971 im „Fix und Foxi“-Magazin oder anderen Kauka-Publikationen erschienen sind.

Fix und Foxi wurden zuerst in Kaukas Magazin „Till Eulenspiegel“ eingeführt, das 1955 schlicht in „Fix und Foxi“ umbenannt wurde. In der sechsten Ausgabe hatten die beiden Füchse ihren ersten Auftritt an der Seite des Wolfes Lubo, der später als Lupo sehr beliebt bei den Leser*innen werden sollte. Diese erste sechsseitige Geschichte, die in dem Jubiläumsband natürlich abgedruckt ist, wird auch Fans der späteren Geschichten sicher schon aufgrund der Zeichnungen von Dorul van der Heide überraschen, denn die Figuren entsprechen noch längst nicht dem Character Design, das später die Wiedererkennbarkeit auch angesichts der unterschiedlichen Zeichner*innen gewährleisten sollte. Den Füchsen fehlt anfangs noch die comictypische Stilisierung, sie sind wesentlich naturalistischer gezeichnet, mehr Fuchs als Kind. Der Band bietet einen Querschnitt durch die Fix-und-Foxi-Zeichner*innen-Riege von Kurt Ludwig Schmidt und Walter Neugebauer bis zu den jugoslawischen Zeichnern Branimir Karabajic und Vlado Magdic.

Die zehn Fix-und-Foxi-Geschichten in diesem Band reichen von der Erstveröffentlichung 1953 bis ins Jahr 1969 und umfassen Klassiker wie Kaukas Beitrag zum Space Race unter dem Titel „Die Mond-Expedition“ (1956) oder die lange Geschichte „Freistaat Lupoland“ von Vladimir Magdić (1968). Einen Einschlag der heiklen politischen Positionen Rolf Kaukas findet man in „Fix und Foxi“ (im Gegensatz zu anderen Kauka-Produkten) nicht auf Anhieb und nicht in den hier versammelten Geschichten, aber es gibt ihn punktuell durchaus.

Bild aus der Story „Freistaat Lupoland“ in „Die Bibliothek der Comic-Klassiker: Fix und Foxi“ (Carlsen)

Die 2022 veröffentlichte Kauka-Biographie „Fürst der Füchse“ von Bodo V. Hechelhammer hat die politischen Einstellungen des Medienunternehmers ausführlich dargestellt. Einen expliziten Niederschlag in den Fix-und-Foxi-Magazinen hat seine politische Gesinnung auch gefunden, nämlich in an das Publikum gerichteten Textpassagen, wo er etwa die Freilassung des inhaftierten NS-Verbrechers und Hitler-Stellvertreters Rudolf Hess forderte. Texte wie diese sind in der vorliegenden Geburtstagsausgabe nicht enthalten – und werden erstaunlicherweise auch in Vor- und Nachwort nicht erwähnt. Als Zusatzmaterial finden wir hingegen einige ausgewählte Cover-Abbildungen, ein Nachwort von Martin Budde und eine Einleitung von Gerd Pircher. Dass beide Texte kein Wort über Kaukas berüchtigte Leseransprachen enthalten, ist verblüffend, zumal Budde sich an andere Stelle schon dazu äußerte.

Legendär sind Kaukas Entgleisungen bei seinen freien Übersetzungen der Asterix-Comics, die er strikt germanisierte und politisch auflud, so dass ihm die Lizenz rasch wieder entzogen wurde. Ein negatives Highlight seiner Umdeutung ist ein Gespräch zwischen Siggi (Asterix) und Babarras (Obelix) in „Lupo modern“, in dem Siggi seinen Freund auf den Hinkelstein anspricht: „Babarras, musst du denn ewig diesen Schuldkomplex mit rumschleppen?“ Das lässt wenige Jahre nach dem Zweiten Weltkrieg keinen Raum für Zweideutigkeiten. Und es gibt viele weitere Beispiele.

Der Carlsen-Jubiläumsband bietet Nostalgikern weitaus mehr als kritischen Leser*innen mit einem historischen Interesse an detaillierten Hintergrundberichten. Das Flair des Originals wird immerhin gut eingefangen, auch durch das Lettering der 1960er Jahre, ungewohnt ungelenk für heutige Leseverhältnisse, aber allen Comic-Leser*innen früherer Zeiten bestens vertraut. Und auch sprachlich reisen wir zurück in frühere Jahrzehnte: Bücher sind Scharteken, Oldtimer sind Chausseewanzen.

Noch dichter an das Original kommt, wer die Reprint-Hefte des ECR-Verlags in die Hand nimmt. Die ersten vier veröffentlichten klammergebundenen Hefte entsprechen dem „Fix und Fox“-Magazin von Ausgabe 51 bis 54 aus dem Jahr 1956 (mittelerweile sind auch die Nummern 55 bis 62 erhältlich). Das ist schon einmal spannend, weil die redaktionellen Inhalte enthalten sind: die Rätsel, Grußworte und die anderen Geschichten auch jenseits der Comics. Die Einleitungen sind noch nicht mit „Euer Rolf“ unterschrieben (das geschah erst ab 1961), aber verweisen schon auf den Verlag Erich Pabel – auch ein Politikum, weil dieser ab 1957 die berüchtigten „Landser“-Hefte veröffentlichte. In dieser Ausgabe wird außerdem sichtbar, dass die Geschichten ursprünglich nicht vollständig farbig abgedruckt wurden, sondern teilweise in Schwarzweiß.

Nummer 51 enthält neben einer Fix-und-Foxi-Geschichte über ein Pferderennen, das die beiden durch eine List gewinnen, während Lupo das Nachsehen hat, weil er auf ein modernes Automobil statt auf echte Pferdestärken setzt, zwei Hops-und-Stops-Storys sowie die illustrierte Geschichte von Rübezahl. Das Fix-und-Foxi-Abenteuer in Nummer 52 ist eine Home-Alone-Story mit einer Metalepse: Ein kleiner Junge ist allein zu Hause, weil seine Eltern Kinokarten gewonnen haben. Er liest einen Comic, als plötzlich Lupo, Fix und Foxi aus dem Comicheft herauspurzeln und den Jungen dafür sensibilisieren, dass diese Kinokarten-Geschichte sich nach einem klassischen Einbrechertrick anhört. Tatsächlich lassen die Halunken nicht lange auf sich warten und können nur durch gewiefte Fallen vom Eindringen in das Haus abgehalten werden.

Aber braucht man das heute noch? Was haben uns die beiden Zwillingsfüchse heute noch zu sagen, über die Befriedigung nostalgischer Gefühle hinaus? Ist das Fix-und-Foxi-Ensemble nicht eh nur eine verzichtbare Kopie der anthropomorphisierten Figurenwelt von Entenhausen, nur eben in Foxhausen?

Zunächst einmal reichen sie, was den Humor angeht, nicht an die Konkurrenz aus Entenhausen heran, und die politische Dimension kann nicht übergangen werden, sobald der Name Kauka ins Spiel kommt. Andererseits lässt sich die hiesige Comicgeschichte nicht ohne eine der erfolgreichsten deutschen Serien und auch nicht ohne den Medienjongleur Rolf Kauka schreiben, der diverse frankobelgische Serien nach Deutschland brachte (darunter auch „Lucky Luke“) und den man nicht mögen muss, um „Fix und Foxi“ zum Geburtstag zu gratulieren. Und niemand muss fürchten, dass Onkel Rolf auf der Party erscheint. Er verstarb am 13. September 2000.

Rolf Kauka: Fix und Foxi und weitere Geschichten (Die Bibliothek der Comic-Klassiker 8) • Carlsen, Hamburg 2023 • 304 Seiten • Hardcover • 35,00 Euro

Rolf Kauka (Hg.): „Fix und Foxi“ #51-54 • ECR Verlag, Prichsenstadt 2023 • je 24 Seiten • 39,80 Euro

Gerrit Lungershausen, geboren 1979 als Gerrit Lembke, hat in Kiel Literatur- und Medienwissenschaften studiert und wurde 2016 promoviert. Er hat Bücher über Walter Moers, Actionkino und den Deutschen Buchpreis herausgegeben. 2014 hat er zusammen mit anderen das e-Journal Closure gegründet und ist bis heute Mitherausgeber. Derzeit lebt er in Mainz und schreibt für Comicgate und die Comixene. An der TU Hamburg-Harburg unterrichtet er Comic-Forschung.