Die Elon-Musk-Anthologie – Iron Man lässt grüßen

Ein smarter, selbstbewusster Ingenieur mit großer Klappe – man muss sich schon fragen, ob Iron Man das role model für Elon Musks Selbstinszenierung ist oder Robert Downey Jr. seine Kino-Inszenierung nach Musks Ebenbild geschaffen hat. Es wundert auch kaum, dass eine TV-Dokumentation über Musk sich den Titel „Elon Musk – The Real Life Iron Man“ (2018) gegeben hat, und in „Iron Man 2“ (2010) hatte der Unternehmer sogar einen Cameo-Auftritt. Wer sich mehr für die Comics interessiert, dem kommt die aktuelle „Iron-Man Anthologie – Genie in Rüstung“ sicher gerade recht.

Der Band enthält 15 Iron-Man-Geschichten, die zwischen 1963 und 2018 erschienen sind. Den Auftakt stellt wenig überraschend die erste Iron-Man-Story dar, die 1963 in „Tales of Suspense“ erschienen ist, gezeichnet von Don Heck. Tony Stark wird während eines Termins mit der US Army in Vietnam vom kommunistischen Klassenfeind verwundet und gefangengenommen. In der Gefangenschaft konstruiert der Ingenieur mithilfe von Prof. Yinsei einen Anzug, der seinen Körper schützt und fortan sein Überleben garantieren wird. Die Origin Story ist wohlbekannt und hat, mit leichten Veränderungen, auch Eingang in den Kinofilm von 2008 gefunden, wobei der Handlungsort kurzerhand nach Afghanistan verlegt wurde, die damals aktuelle Militärspielwiese der USA. Der Comic führt die politische Dimension der populären Comics anschaulich vor Augen, und dies ist auch im zweiten Comic dieser Anthologie der Fall, nur dass in „The Uncanny Challenge of the Crusher!“ (1967) die Gefahr von einem kubanischen Gegenspieler ausgeht. Es war schon ein waghalsiges Projekt, einen ideologischen Waffenfabrikanten zum Superhelden zu stilisieren…

Wesentlich spannender wird es in den folgenden Geschichten, die ein Charakteristikum des Eisernen Helden ausloten, denn immerhin ist Tony Starks Superkraft eine Veranschaulichung der Differenz zwischen Körper und Geist. Nur seine Fähigkeiten als Ingenieur haben seinen Körper davor bewahrt, einen frühen Tod zu sterben. Und von dieser Abhängigkeit seines Geistes von der Funktionstüchtigkeit der Maschine ist sein weiteres Leben geprägt. Der starke Geist rettet den schwachen Körper, und fortan schützt der Körper den Geist auch dann, wenn dieser schwach wird. Aus diesem Problem ergeben sich erzählerische Möglichkeiten, und die folgenden Storys zeigen, wie einige Autoren dieses Potential genutzt haben.

In „Sub-Mariner: Target for Death“ (1973) trifft Iron Man auf den Submariner, ist aber leider nicht Herr seiner Kräfte, weil Madame MacEvil seinen Anzug aus der Ferne kontrolliert und ihn zum Angriff auf den Submariner zwingt. „Jemand überlagert meine Befehle … und ich kann nichts dagegen tun.“ Und während Iron Man sich damit arrangieren muss, dass der Körper nicht tut, was sein Geist von ihm verlangt, streitet Madame MacEvil mit ihrem eigenwilligen Computer („Hey, du Schraubenkasper!“), der gleichermaßen ein Eigenleben entwickelt. Als der Submariner Iron-Man verfolgen und Rache üben möchte, muss er sich eingestehen: „Zu schnell für mich.“ Es ist das Schicksal des Menschen, dass er nicht alles kann, was er will. Das gilt auch für Helden und Schurken.

In der legendären 9-teiligen Geschichte „Demon in a Bottle“ (1979), gezeichnet von John Romita Jr., dessen Abschluss in dieser Anthologie abgedruckt ist, begegnen wir Tony Stark im Selbstgespräch mit seinem Iron-Man-Helm: „Alter Freund. Ich dachte ja, ich kenne dich, aber nein…“ Tony Stark kämpft in dieser Geschichte vor allem gegen sich selbst und seine eigenen Dämonen. Das Übel geht von seinem Kopf aus und zugleich von der Flasche, mit der er seinen Schmerz zu betäuben versucht. Er ist nicht mehr Herr in seinem Haus, und wir alle wissen, dass Alkoholismus schließlich auch ein körperliches Problem ist. Die Geschichte endet eben auch mit Tony Stark (nicht mit Iron Man), der mit sich selbst ringen muss.

Ein ähnlicher Grundgedanke, dass Stark nicht mehr Herr seiner selbst ist, haben John Byrne und John Romita Jr. in „Armor Wars II“ (1990/91) erneut umgesetzt. In „The Enemy Within“ wird Stark von außen gesteuert und kann nur durch seine Rüstung wieder die Kontrolle zurückerlangen: „Mein Körper wehrt sich gegen jede Bewegung. Solange wir also nicht den Urheber dieses Angriffs ausfindig machen, ist und bleibt meine eigene Schöpfung, diese Rüstung, mein Gefängnis.“ Der Körper als Rüstung. Der Körper als Gefängnis. Was für eine herrliche Sammlung widersprüchlicher Ideen ist diese Anthologie!

Hinzu kommt als künstlerischer Höhepunkt die Geschichte „Intimate Enemies“ (1968), geschrieben von David Michelinie und gezeichnet von Barry Windsor-Smith. Wir sehen in großen und immer größer werdenden Panels, wie Iron Man eindrucksvoll zerspringt, sich in Einzelbestandteile auflöst und sich wieder zusammensetzt, bis er schließlich aufwacht und bemerkt, dass alles nur ein böser Traum war. Was bleibt, ist das Gefühl, dass zwei Seelen in seiner Brust schlagen, kurz gesagt: Arschloch und Held. „Ich muss es akzeptieren. Als einen Teil von mir. Besser: Ich finde mich damit ab, dass es in mir weiterlebt.“

Nicht alle Storys knüpfen an diese spannende Facette des Iron-Man-Grundgedankens an, und die jüngeren Geschichten in der Anthologie (geschrieben etwa von Jim Lee, Dan Slott, Matt Fraction und Brian Michael Bendis) können nicht ganz damit mithalten, nicht zuletzt künstlerisch. Iron Man war einfach besser, als Elon Musk noch nicht berühmt war.

Dan Slott, David Michelinie, Bob Layton, Don Heck u. a.: Iron Man Anthologie – Genie in Rüstung • Panini, Stuttgart 2023 • 356 Seiten • Hardcover • 35,00 Euro

Gerrit Lungershausen, geboren 1979 als Gerrit Lembke, hat in Kiel Literatur- und Medienwissenschaften studiert und wurde 2016 promoviert. Er hat Bücher über Walter Moers, Actionkino und den Deutschen Buchpreis herausgegeben. 2014 hat er zusammen mit anderen das e-Journal Closure gegründet und ist bis heute Mitherausgeber. Derzeit lebt er in Mainz und schreibt für Comicgate.de, Alfonz und die Comixene. An der TU Hamburg-Harburg unterrichtet er Comic-Forschung.