Mit Fantasy und Hasenohren gegen die Zumutungen des Lebens – „I Kill Giants“

Wer hätte gedacht, dass nach gut 10 Jahren Joe Kellys und Ken Niimuras für Image Comics verfasste Graphic Novel „I Kill Giants“ doch noch ihren Weg nach Deutschland finden würde. So ganz zufällig geschah das natürlich nicht, denn Chris Columbus‘ Filmadaption erschien im vergangenen Jahr für den deutschen Heimkinomarkt.

Bereits zum Erscheinen konnte die Vorlage Kritiker wie auch Leser überzeugen. Das Magazin IGN betitelte den Comic als „Best Indy Book of 2008“ und auch über eine Nominierung für einen der begehrten Eisner Awards durften sich die beiden Macher freuen. Der Bielefelder Splitter Verlag hat die Graphic Novel nun erstmals nach Deutschland geholt und in ein üblich schickes Hardcover mit üppigen 240 Seiten Umfang verpackt.

Joe Kelly (Autor), Ken Niimura (Zeichner): „I Kill Giants“.
Aus dem amerikanischen Englisch von Bernd Kronsbein. Splitter, Bielefeld 2018. 240 Seiten. 29,80 Euro

Dass die kleine Barbara die sofortige Überforderung etwaiger pädagogischer Fachkräfte darstellt, wird schnell deutlich. Mit ihren stets aufgesetzten Hasenohren, der omnipräsenten riesigen Brille, ihrer fast obsessiven Leidenschaft für Dungeons & Dragons und ihren wilden Geschichten fällt das Mädchen deutlich aus der Reihe ihrer Altersgenossen. Nicht nur ist die junge Dame reichlich schwierig im Händeln ihrer eher bescheidenen Umgangsformen, nein, sie ist auch der felsenfesten Überzeugung, dass die Menschheit kurz vor der großangelegten „Rückkehr der Riesen“ steht und sie die einzige sei, die die fiesen Riesen und Titanen bekämpfen könne. Mit ihrem Hammer, den sie Coveleski nennt, und in ihrer Handtasche mit sich herumträgt.

Eine Coming-Of-Age-Geschichte, die anfänglich versucht, verschiedene Wege einzuschlagen und den Leser stets im Ungewissen darüber lässt, ob es sich um eine Fantasy-Story handelt oder doch mehr hinter den Hirngespinsten der Protagonistin steckt. Autor Joe Kelly erzählt seine Geschichte in einem subtilen tragikomischen Ton, der zwar bewusst an gewissen Stellen zum Schmunzeln einlädt, doch stets eine konstante Melancholie in sich trägt.

Zeichner Ken Niimura arbeitet sich spürbar minimalistisch an den vorgegebenen Szenen ab und versucht den Settings nur in ausgewählten Passagen eine wuchtige Opulenz abzuringen, etwa in wunderbaren Splash-Pages, die den Kampf mit dem Riesen zeigen. Die anfänglich nicht zwingend sympathische Hauptfigur entwickelt erst zum Ende hin das notwendige Profil, um die Auflösung der Geschichte so nah ans Herz des Lesers zu tragen. Vermischen sich im ersten Teil des Bandes gleichberechtigt Elemente des Jugenddramas und der Fantasy-Erzählung, ergibt sich erst im letzten Drittel ein vollständiges Bild der Handlung, was viel vorab Erzähltes neu aufrollt und in einem anderem Licht dastehen lässt. Auch wenn der Kniff nicht gänzlich unvorhersehbar ist.

Eine atmosphärische Erzähldichte bringt „I Kill Giants“ jedoch bereits von Anfang an mit, was es schwer macht, die Geschichte nach nur wenigen Kapiteln aus der Hand zu legen. Und das ist gut so, denn diese Story liest sich am besten am Stück. Die Welt aus Kinderaugen zeigt manchmal Lebensperspektiven auf, die wir Erwachsenen allzu oft geneigt sind auszublenden. Ein Grund mehr sich von der kleinen Barbara das Herz erwärmen zu lassen.

Dieser Text erschien zuerst auf: bizzaroworldcomics.de

Emanuel Brauer ist Betreiber des Comic-Blogs bizzaroworldcomics.de, Autor für das Comic-Fachmagazin Comixene sowie auch für Comic.de.