Eine Hommage an Winsor McCay – „Little Nemo. Rückkehr ins Schlummerland“

Noch bevor der Comic als Kunst anerkannt werden sollte, hatte ihm der US-amerikanische Zeichner Winsor McCay (1869-1934) mit seinem wöchentlichen Zeitungsstrip „Little Nemo in Slumberland“ bereits ein Denkmal gesetzt. McCay entwickelte die visuelle Grammatik des Comics auf noch heute mustergültigem Niveau und besaß die Chuzpe, den als Zerstreuungsmedium geringgeschätzten Bildergeschichten bereits mit selbstreferenziellen Mitteln zu Leibe zu rücken, als derartige Formenspiele allenfalls den „etablierten“ Künsten vorbehalten waren (in einer Episode beispielsweise zweckentfremden die hungrigen Figuren die Panelrahmen, um den Titelschriftzug aufzuessen); er brachte „Little Nemo“ als Adaption auf die Theaterbühnen und erfand mit seiner Titelfigur 1911 auch noch den Zeichentrickfilm. Ein brennender Pionier also.

Der Hommagen an Winsor McCay gab es im Laufe der Comicgeschichte viele. Die wenigsten sind so originell und originär wie Eric Shanowers (Fables, Der Zauberer von Oz) und Gabriel Rodriguez’ (Locke & Key, CSI) Miniserie „Little Nemo – Rückkehr ins Schlummerland“, die, gerade erst mit dem Eisner Award 2015 als „Beste abgeschlossene Serie“ ausgezeichnet, der Splitter Verlag nun als deutsche Übersetzung vorlegt. Obgleich der Nemo des Künstlerduos eigentlich Jimmy heißt und den Zweitnamen Nemo nur deshalb trägt, weil seine Eltern nun einmal große „Little Nemo“-Fans sind, hält dies die Prinzessin nicht davon ab, ihn, wie ehedem schon seinen Namensvetter, mithilfe von König Orpheus ins Schlummerland zu locken und zu ihrem Spielgefährten zu ernennen. Zeichner Rodriguez lässt seine Fingermuskeln spielen und entwirft ein quietschbuntes, pompöses Setting, das sich ganz dem Geist der Vorlage verpflichtet fühlt – ein surrealistisches Traumreich, in dem es vor Zitaten und augenzwinkernden Anspielungen nur so wimmelt und selbst Flugterrier und Monsterraupen friedlich koexistieren können. „Little Nemo“ ist und macht auch im 21. Jahrhundert eine bestechend gute Figur.

Zwei Nachworte, in denen noch einmal die Bedeutung der Vorlage beleuchtet wird, einige Storyboards und eine Covergalerie komplettieren die Edition.

Gabriel Rodriguez, Eric Shanower: Little Nemo. Rückkehr ins Schlummerland. Splitter, Bielefeld 2015. 128 Seiten, € 24,80