Die Affenbande brüllt wieder – „Planet der Affen – Archiv 3“

Charlton Heston befand sich auf dem Höhepunkt seiner Schauspielerkarriere, als er den amerikanischen Astronauten George Taylor im ersten Teil von „Planet der Affen“ (1968) verkörperte. Der Film profitierte von einem grandiosen Twist am Filmende – obgleich dieser auch völlig anders funktionierte als in der französischen Romanvorlage von Pierre Boulle (1963) – und einer aufwendigen Gestaltung der Affenmasken. Es folgten zwei passable Fortsetzungen (1970/71), ein unnötiger Aufsatz (1972) und ein schmerzhafter Appendix (1973). An den Kinokassen waren alle Filme erfolgreich, die letzten profitierten vom Ruhm des ersten Teils und wohl auch vom schnellen Produktionsrhythmus.

Was als abenteuerliche Science-Fiction-Geschichte mit Seitenhieben auf politische Tagesthemen wie atomare Aufrüstung, Rassentrennung und den Vietnamkrieg begann, endete als unfreiwilliger Action-Klamauk ohne Sinn und Verstand, und so ruhte die Filmgeschichte von „Planet der Affen“, bis der amerikanische Regisseur Tim Burton 2001 einen neuen Versuch wagte.

„Planet der Affen Archiv Band 3“.
Cross Cult, Ludwigsburg 2019. 400 Seiten. 50 Euro

Da nach den fünf Filmen die Marke in den 1970er Jahren offenbar gut etabliert war, bot es sich an, den Stoff auch in anderen Medien zu vermarkten. Marvel nahm sich dessen an und brachte ab 1974 monatlich ein Comicheft mit den Storys der Filme, mit neuen Geschichten und mit Hintergrundinformationen zu Schauspielern sowie Interviews heraus, um den Mythos der überlegenen Affenrasse am Leben zu erhalten. Die Serie brachte es zwischen 1974 und 1977 auf 29 Ausgaben in den USA, die es nicht alle nach Deutschland schafften.

In einer auf vier Bände angelegten Archiv-Serie versammelt Cross Cult diese Comics nun – entsprechend der amerikanischen, bei BOOM! erscheinenden Originalausgabe, die dort seit 2018 abgeschlossen ist. Im aktuellen dritten Band finden sich Comic-Adaptionen des dritten und vierten Teils der Film-Serie, geschrieben von Doug Moench, gezeichnet von Rico Rival und Alfredo P. Alcala.

In „Flucht vom Planet der Affen“ haben drei Schimpansen, darunter mit Zira und Cornelius die zentralen Affen der Serie, ihren Heimatplaneten in einer Raumkapsel verlassen und beobachten aus dem Weltraum die selbstverschuldete Zerstörung ihres Planeten. Eine Druckwelle löst eine Zeitreise aus, die sie in das Jahr 1975 zurückführt, wo sie von einer misstrauischen Elite mit großer Skepsis aufgenommen werden – immerhin stellen intelligente Affen einen empfindlichen Angriff auf das christliche Weltbild dar, und bald entpuppen sie sich als unheilvolle Vorboten menschlicher Degeneration. Zira und Cornelius bringen das Wissen aus der Zukunft des Jahres 3955 mit sich, dass auf der Erde einmal vernunftbegabte Affen über die Menschen herrschen und erstere den Planeten letztlich vernichten werden. Was läge dann nun näher, als Zira und Cornelius als Ursache dieses Übels zu betrachten? Dieses Zeitreise-Paradoxon ist natürlich ein Klassiker, wir erinnern uns an „Terminator“ (USA 1982).

Seite aus „Planet der Affen Archiv 3“ (Cross Cult)

Insbesondere Milo, der noch ungeborene Sohn Cornelius‘ und Ziras, wird für die Eliten zum Symbol eines zu verhindernden Unglücks. Sie töten die beiden Schimpansen, das Affenbaby aber überlebt. Comic wie Film präsentieren die Gegenwart des Jahres durch die Brillen zweier kulturfremder Beobachter, die das ihnen aufgezwungene Leben als Stars der Öffentlichkeit genießen, aber zugleich deren groteske Züge zeigen – ein klassischer Topos der Kulturkritik. Das ist gleichermaßen erwartbar wie auch unterhaltsam, selbst wenn der Twist am Ende nicht mehr so spektakulär ist wie derjenige des ersten Films, als die Zuschauer*innen bemerken, dass die Affenbande nicht auf einem fremden Planeten tobt, sondern auf einer zukünftigen Erde.

Im vierten Teil, „Eroberung vom Planet der Affen“, steht Milo im Zentrum der Erzählung des Jahres 1991. Nachdem eine Haustierseuche alle Hunde und Katzen dahingerafft hat, haben die Menschen sich mit Affen neue Haustiere als alltägliche Begleiter erwählt, die aber rasch ein breiteres Aufgabenspektrum erfüllten als Kuscheln und Gassigehen. Es entwickelt sich eine ebenso leicht zu durchschauende wie nicht unproblematische Parabel auf die amerikanische Rassentrennung, indem die Affen als von der High Society missbrauchte Arbeitskräfte zweiter Klasse behandelt werden und unter der Anleitung von Milo den bewaffneten Aufstand wagen. Wurde der Film von den „Watts Riots im Jahr 1965 inspiriert, sollte sich der Comic tragischerweise als hellsichtig erweisen: 1991 wurde Rodney King aufgrund seiner Hautfarbe von vier Polizisten in Los Angeles misshandelt. Nachdem die Polizisten trotz der Videoaufnahmen von einer Jury freigesprochen wurden, kam es als Protest gegen den Rassismus der Behörden zu massiven Ausschreitungen in L.A.

Den Abschluss bildet eine kurze exklusive Geschichte, „Die Suche nach dem Planet der Affen“, die das Gelenk zwischen dem vierten und letzten Film der Affensaga darstellen soll und die Handlung in naher Zukunft darstellt. Die Affen sind uneins über den Umgang mit den vormaligen Sklavenhaltern und schwanken zwischen liberalen und radikalen Modellen des Zusammenlebens. Es kommt zum Kampf des Schimpansen Milo, der sich längst Caesar nennt, und dem Gorilla Aldo. Caesars Fazit: „Vielleicht sind nicht die Waffen böse, sondern die Art, in der sie benutzt werden.“ Küchensoziologie at its best. Und die Handlung, in der derlei Bonmots eingebettet sind, ist auch nicht reizvoller: Grotesker, wirrer und unausgegorener könnte eine Geschichte kaum sein – selbst im Kontext einer Story um zeitreisende Astronauten-Affen ist diese Geschichte dann doch zu überdreht.

Gerrit Lungershausen, geboren 1979 als Gerrit Lembke, hat in Kiel Literatur- und Medienwissenschaften studiert und wurde 2016 promoviert. Er hat Bücher über Walter Moers, Actionkino und den Deutschen Buchpreis herausgegeben. 2014 hat er zusammen mit anderen das e-Journal Closure gegründet und ist bis heute Mitherausgeber. Derzeit lebt er in Mainz und schreibt für Comicgate und die Comixene. An der TU Hamburg-Harburg unterrichtet er Comic-Forschung.

Seite aus „Planet der Affen Archiv 3“ (Cross Cult)