Irgendwo im Südpazifik, Juni 1788: Die beiden Fregatten Astrolabe und Boussole, die unter dem Kommando des Grafen von Lapérouse stehen, geraten während eines Sturmes vor einer unbekannten Insel in Seenot. Während die Boussole sinkt, bleibt die Astrolabe schwer beschädigt vor der Küste liegen. Der überlebenden Mannschaft bleibt so genug Zeit, das Schiff zu räumen, ehe es auseinanderbricht, um am Ufer ein Lager zu errichten. Was keiner ahnt: Auch von der Boussole gibt es Überlebende. Unter der Führung von Leutnant Collinet schlägt sich ein Trio durch den unwegsamen Dschungel auf der Suche nach weiteren Schiffbrüchigen und mit der Hoffnung, die Astrolabe zu finden. Immer bedroht von den Eingeborenen, die man als vermeintliche Kopfjäger identifiziert. Im Lager am Strand beginnt man, einen kleinen Segler zu bauen, um die Insel verlassen zu können. Das Gold, das sich auf der Astrolabe befand, soll so lange vergraben werden, weckt unter den einfachen Seeleuten aber Begehrlichkeiten. Und als der Botaniker Prévost heimlich das Lager verlässt, werden Ereignisse ausgelöst, die die ohnehin bereits prekäre Lage der Überlebenden noch verschärft…

Patrick Prugne (Autor und Zeichner): „Vanikoro“.
Aus dem Französischen von Harald Sachse. Splitter Verlag, Bielefeld 2019. 104 Seiten. 22 Euro
Patrick Prugne, in erster Linie bekannt durch seine stimmigen und atmosphärisch dichten Indianer-Geschichten aus der frühen Pionierzeit Amerikas (u. a. „Irokesen“, „Frenchman“, „Pawnee“), spinnt aus den gefundenen Überresten der Expedition und aus den mündlichen Überlieferungen nun eine Story, die ein mögliches Schicksal der Schiffsbesatzungen schildert. Eine Fiktion, basierend auf dünnen und wenigen Fakten. Doch daraus entwickelt er eine gelungene Mischung aus einer Robinsonade und Elementen aus Stevensons „Schatzinsel“. Abwechselnd verfolgt der Leser den Kampf der drei Überlebenden der Boussole, die sich ihren Weg durch die dicht bewachsene, gefährliche Insel bahnen, vermeintlich in Richtung der wartenden Astrolabe, und deren „Rest-Besatzung“, die ein provisorisches Not-Camp erreichtet, mitsamt Palisaden als Schutz vor den „Wilden“. Ähnlich wie bei Prugnes Indianer-Alben trifft auch hier eine Kultur frontal auf eine fremde, andere – nur diesmal unfreiwillig. Bezeichnend, dass auch inmitten der extremen Notlage die Gier nach Gold zum Thema wird.
Einen Protagonisten oder gar echten Helden kann man in der Geschichte nicht ausmachen. Die unkommentierten Ortswechsel der Handlung und die sich ähnelnden Personen sorgen anfangs für Verwirrung. Erst am Ende erfährt man die Identität des Erzählers aus dem Off. Und der eigenwilligen wie sympathischen Figur des Botanikers Prévost, der als einziger auch die Natur der Eingeborenen zu verstehen scheint, wird zu wenig Platz eingeräumt.
Dennoch versteht es Prugne mit ein paar kleinen Kniffen, die Erzählstränge zu verknüpfen und lässt so eine schlüssige Handlung entstehen. Zeichnerisch präsentiert er wie gehabt wunderbare Aquarell-Bilder in zarten und bunten Farben und auf hohem künstlerischen Niveau, teilweise auch in großen Cinemascope-Ansichten, wie wir sie von klassischen Piratenfilmen kennen. Eine Zusammenfassung der wissenschaftlichen Forschung über den Verbleib der Expedition und ein ausführlicher, von Prugne kommentierter Skizzenteil beenden den Band.
Dieser Text erschien zuerst auf: Comicleser.de
Bernd Weigand ist schon über vier Jahrzehnte in Sachen Comics unterwegs: lesen, sammeln, übersetzen. Schreibt auch seit 20 Jahren über Comics, seit 2010 auf comicleser.de.

Seite aus „Vanikoro“ (Splitter Verlag)