Schon das Cover des Comics „Busengewunder“ von Lisa Frühbeis zeigt auf den ersten Blick, wie tabuisiert Frauenkörper bis heute sind: Haarige Beine und bloße Brustwarzen gelten in der Öffentlichkeit nicht als schicklich. Gerade erst wurde „Busengewunder“ mit dem renommierten Max-und-Moritz-Preis ausgezeichnet.
„Busengewunder“ ist eine Sammlung feministischer Comic-Kolumnen, die aus weiblicher Perspektive die Werte und Normen analysieren, die unsere Gesellschaft bis heute prägen. Und darüber wundert sich die Protagonistin – das Alter Ego von Lisa Frühbeis – immer wieder. Zum Beispiel wenn sie den weiblichen Körper zum Thema macht und feststellt, dass Frauen – anders als Männer – in der Öffentlichkeit ihre Brüste hinter Büstenhaltern verstecken müssen, weil es als unschicklich gilt, dass man die Brustwarzen durch die Kleidung hindurchsieht.
Lisa Frühbeis entlarvt das als eine Regel, die die männliche Deutungshoheit über den weiblichen Körper zementiert: Herausragende Brustwarzen dürfen nicht gezeigt werden, weil das Männer erregen könnte und sie damit nicht die Handelnden sind, sondern nur diejenigen, die reagieren. Umgekehrt gilt das nicht: Es gibt keine Penishalter, die dafür sorgen, dass das männliche Geschlecht flach gehalten wird.Mit kraftvollen Strichen
Die Themen, die in „Busengewunder“ verhandelt werden, sind nicht unbedingt neu. Lisa Frühbeis macht das aber auf eine witzige Art, das wird schon an den Zeichnungen deutlich. Die Protagonistin ist eine Heldin, die mit kraftvollen Strichen im „Funny“-Stil gezeichnet ist.
Wenn ihr also die Widrigkeiten des patriarchalen Systems um die Ohren fliegen – sei es, weil das durchschnittliche Einkommen von Frauen deutlich unter dem von Männern liegt, oder weil sie mal wieder aufgrund ihres Körpers beurteilt wird – dann fliegen ihr schon mal die Schweißperlen von der Stirn.
Gegen diese Ungerechtigkeiten und Zuschreibungen kämpft sie mit Argumenten und rhetorischen Mitteln, zum Beispiel indem sie den männlichen Blick auf weibliche Körper umkehrt und fragt: „Würde man einem alten Mann sagen, dass er einen fetten Arsch hat?“ Natürlich nicht. Mit solchen Perspektivwechseln macht Lisa Frühbeis klar, dass es eine Gleichberechtigung zwischen den Geschlechtern in unserer Gesellschaft eben noch nicht gibt.
Entlarvend – und urkomisch
Lisa Frühbeis arbeitet heraus, wie sehr wir alle – also auch die Frauen – von patriarchalen Denkmustern geprägt sind. Da ist zum Beispiel die Mutter der Heldin, die die Bücher von Simone de Beauvoir im Regal stehen hat und sich trotzdem nicht vorstellen kann, dass eine Comic-Kolumne über die Menstruation auch Männer interessieren könnte. Oder die Heldin selbst, eine Cartoonistin, die bei einer Preisverleihung von ihrem Zeichenstift schwärmt, als sei es ein Penis: Weil dessen Flüssigkeit gleichmäßig fließt und der ewig kann. Das ist urkomisch.
Zugleich macht Lisa Frühbeis in ihren gezeichneten Kolumnen klar: Wenn die Gesellschaft gleichberechtigter werden soll, dann müssen Frauen etwas ändern. Denn dass Männer im Schnitt mehr verdienen und dass sie es sind, die die Körper von Frauen beurteilen, bedeutet vor allem, dass sie mehr Macht haben als Frauen. Und Macht gibt niemand freiwillig ab.
Dieser Beitrag erschien zuerst am 15.07.2020 auf: kulturradio rbb
Hier gibt es eine weitere Kritik.
Andrea Heinze arbeitet als Kulturjournalistin u. a. für kulturradio rbb, BR, SWR, Deutschlandfunk und MDR.