Der Verleger Holger Kliemannel bringt die dänischen „Walhalla“-Comics von Peter Madsen (hier ein Interview mit dem Künstler) in fünf wertigen Sammelbänden neu heraus – im Herbst erscheint Teil 2 dieser „gesammelten Saga“. Im Interview spricht er darüber, was ihn an dem Projekt reizt, über nordische Mythologie und die Schwierigkeit, einen kleinen Verlag durch die Corona-Pandemie zu steuern.
Hallo Holger, dein Verlag Edition Roter Drache ist eigentlich kein Comicverlag, sondern auf phantastische Literatur spezialisiert – wie kam es dazu, dass ihr die neue „Walhalla“-Gesamtausgabe in Deutschland herausbringt?
Wer die Geschichte des Verlags kennt, der weiß, dass ich schon einmal eine Comicreihe im Programm hatte. Von 2009 bis 2011 veröffentlichte ich sechs Alben der Reihe „Der Magus“, die ersten drei Alben in schwarz-weiß, die letzten drei in Farbe. Nach Album Nr. 6 habe ich die Reihe eingestellt – der Erfolg blieb leider aus. Für das Crossover von Comic und Magie gibt es zu wenig Interessenten.
Zur „Walhalla“-Reihe kam ich dank Prof. Rudolf Simek. Er meinte zu mir, ich bringe so hochwertige Bücher heraus – ob ich nicht auch die Gesamtausgabe von „Walhalla“ angehen wolle.
Rudolf Simek ist ein bekannter Experte für Ältere Germanistik und Skandinavistik – woher kennt ihr euch?Rudolf Simek hat Tommy Krappweis unter anderem bei dessen „Mara“-Reihe unterstützt, und Tommy wiederum veröffentlicht ja bei Edition Roter Drache. So enstand der Kontakt. Rudolf Simek war von unserer Kunstlederbox zur „Mara“-Reihe sehr fasziniert und hat gesehen, dass ich auch andere Titel hochwertig verlege. Das in der Verbindung mit unserem Programm zur nordischen Mythologie war der Auslöser für seinen Vorschlag.
Die Idee „Walhalla“ neu zu veröffentlichen, hat dir offensichtlich gleich gefallen, oder?
Tatsächlich war ich schon immer an dieser Serie interessiert, aber da meines Wissens nach die Rechte bei Carlsen lagen, sah ich zunächst wenig Chancen. Rudolf Simek brachte mich in Kontakt mit dem „Walhalla“-Autor Henning Kure. Er wiederum erzählte mir, dass die Rechte wieder in Dänemark liegen und gab mir den Kontakt zum dortigen Verlag. Kurt Oertel vom Eldaring e.V. half mir dann noch bei der Suche nach einer geeigneten Übersetzerin für die dänische Sprache und vermittelte mir Inga Esseling, eine begnadete junge Übersetzerin. Gleichzeitig stellte mir Rudolf Simek auch noch den Kontakt zu einer weitere Übersetzerin her, die Band 4 und 5 machen wird. So fügte sich eins zum anderen.
Schon der erste Sammelband – „Die gesammelte Saga 1“ – ist ganz wunderschön gestaltet: Es gibt neben den ersten drei „Walhalla“-Geschichten eine Menge Zusatzmaterial, Skizzen, Historisches, der Band ist ein dickes Hardcover mit Goldprägung. Wie aufwendig war die Produktion und wie lange hat sie gedauert?
Alle Bände werden so aufwendig sein. Wir versuchen, jedes halbe Jahr einen der Sammelbände herauszubringen, momentan arbeite ich an der gesammelten Saga 2, die nun fertig übersetzt ist. Vom Anfang der Übersetzung bis zur Veröffentlichung arbeiten wir sechs Monate an einem Buch, allein die ganzen Sprechblasen und Geräusche, die die Figuren verursachen, benötigen Wochen. Zum Schluss kontrolliere ich jedes einzelne Bild, um sicherzustellen, dass nichts fehlt.
Der zweite Band der gesammelten Saga ist für Oktober 2020 angekündigt. Könnt ihr den Termin so halten? Und: Wollt ihr ihn in Corona-Zeiten überhaupt so halten?
Jeder Band kostet 10.000 Euro mit Lizenz, Übersetzung, Lektorat und Druck, die im Durchschnitt erst nach zwei Jahren wieder zurückfließen. Dieses Projekt ist etwas, was mich als Verleger über Jahre beschäftigen wird, darüber will ich lieber nicht nachdenken (lacht). Als Verlag kann ich nur die Ereignisse so nehmen, wie sie kommen und versuchen, das Beste daraus zu machen. Da es wahrscheinlich über Monate keine Messen und so fort geben wird, muss man neue Wege beschreiten. Zum Glück habe ich die besten Autoren der Welt, die mich in all meinen Vorhaben zu 100 Prozent unterstützen und wirklich alles geben, damit der Verlag die Corona-Zeit übersteht. Dank ihnen kann ich erst einmal wie geplant mit dem Programm weitermachen, ohne ihr Engagement wäre dies nicht möglich gewesen.
Was fasziniert dich als Verleger zeichnerisch und inhaltlich an den „Walhalla“-Comics?Den Zeichentrickfilm von 1986 fand ich schon immer gut – genau wie die Realverfilmung von 2019, die leider weniger bekannt ist. Als ich dann festgestellt habe, dass der Originalfilm auf einer Comicreihe beruht, habe ich versucht, die Alben zu ergattern, die teilweise 20 bis 30 Euro kosten. Wenn ich mir alle 15 Alben durchblättere, die in Dänemark veröffentlicht wurden, erkenne ich eine sehr gute Weiterentwicklung der Zeichnungen und Inhalte. Wenn man sich die ersten Staffeln von „Die Simpsons“ anschaut, dann die späteren – bevor sie animiert wurden – erkennt man eine extreme Entwicklung der Zeichnungen. Diese gibt es auch in „Walhalla“, ohne dass die Serie ihren eigentlichen Charme verliert.
Du selbst bist ein Fan nordischer Mythologie, wie man auch anhand deines restlichen Verlagsangebotes sieht. Wie gut findest du das Thema der nordischen Götterwelt in den „Walhalla“-Comics wiedergegeben?
Die „Walhalla“-Schöpfer Henning Kure und Peter Madsen legen sehr großen Wert auf eine richtige Darstellung der alten Mythen, die unter dem Namen „Edda“ zusammengetragen wurden. Daher ist diese Reihe für Menschen, die anfangen, sich für die nordische Mythologie – besonders die Wikinger – zu interessieren ein sehr guter Einstieg. Man lernt die Sagen kennen und versteht den Zusammenhang besser, wenn man im Nachhinein die Edda liest.
Du schlägst Interessierten vor, mit „Walhalla“ zu beginnen und das Thema danach zu vertiefen – welche Bücher bieten sich noch an?
Ja, für den Einstieg empfehle ich die „Walhalla“-Reihe, danach die „Die Geschichten von Yggdrasil“ von Luci van Org, sie erzählt hier nordische Göttersagen in moderner Sprache nach. Danach kann man sich der Edda nähern.
Wer ist deine „Walhalla“-Lieblingsfigur und warum?Röskva, weil sie sich immer unbeschwert und ohne Vorurteile allem und jedem nähert. Ein Beispiel dafür ist die Geschichte „Der Wolf ist los“ in der gesammelten Saga 1. Der Großteil der Leser mag Quark am liebsten, eine der wenigen Figuren, die Peter Madsen und Henning Kure dazu erfunden haben.
2019/20 sind echte „Walhalla“-Jahre. So veröffentlichte zum Beispiel Koch Media den von dir bereits angesprochenen neuen „Walhalla“-Realfilm nebst Neuauflage des Trickfilms. Macht es sich auch in Sachen Verkaufszahlen für dich positiv bemerkbar, dass das Thema gerade insgesamt mehr in den Fokus gerückt ist?
Mit Koch Media habe ich für deren Projekt zusammengearbeitet, so habe ich für sie Album 1 und 2 in einer Sonderedition gedruckt, die der „Walhalla“-Box beigelegt wurden. Es ist eine wunderbare Box, schon allein wegen der Quark-Serie, die ich bisher nicht kannte. 90 Prozent der Käufer der Bücher sind Fans der alten Comicveröffentlichung von Carlsen und freuen sich, dass nun die Serie über Album 6 hinaus fortgeführt werden soll. Ob die Serie weitergeführt wird, hängt aber natürlich auch von den Verkaufszahlen ab. Erfahrungsgemäß lässt das Interesse mit jedem Band immer stärker nach. Ich werde jedenfalls alles tun, um alle Sammelbände machen zu können.
Wie waren bislang die Reaktion zum ersten „Walhalla“-Sammelband?
Bis auf einer Kritik alle durchweg positiv. Ein Rezensent beschwerte sich darüber, dass die Comics nicht wie früher zu 9,90 D-Mark erscheinen, dass 40 Euro viel zu teuer seien und das Papier nicht geeignet sei für Kleinkinder, da diese es wohl zerknittern würden. Andere Kunden sind so begeistert, dass sie ein Abo auf die Buchreihe abschließen möchten.
Wird es von Edition Roter Drache künftig häufiger Comics geben, oder bleibt das die Ausnahme?
Ich denke, das bleibt die Ausnahme. Die Comic-Szene hat eine andere Vertriebsstruktur als der übrige Buchhandel, die Vertriebsmöglichkeiten sind da begrenzt. Ein Comic-Vertrieb hat die Serie übrigens abgelehnt, weil sie „Schriften mit pornografischen, okkulten, spiritistischen und satanischen Inhalten sowie spezielle heidnische Literatur einschließlich esoterisch sektiererischen Schriften“ ausdrücklich ausgeschlossen haben. Inwiefern das auf „Walhalla“ zutrifft, habe ich nicht verstanden. So bestellen die Comic-Händler nun aber direkt bei mir, bekommen mehr Rabatt als über einen Vertrieb, ich habe viele tolle Händler kennengelernt und alle sind zufrieden. Der Erfolg von „Walhalla“ liegt in seiner Bekanntheit, mit einem anderen Comic könnte ich nicht diese Massen erreichen, daher kann ich mir momentan nicht vorstellen, dass es noch weitere Comics geben wird. Aber wer weiß, was die Zukunft bringt?