Die alternative Ampel-Koalition: Batman, Harley Quinn und der Joker

© DC/Black Label/Panini

Batman verkörpert einen Superheldentypus, der zwar mit beiden Beinen auf der Seite des Guten, aber zumindest mit einer Fußspitze jenseits des Gesetzes und manches Mal auch jenseits einer Linie steht, die jeder Batman-Comic neu definieren kann. In den letzten Monaten sind einige Geschichten rund um den Dunklen Ritter erschienen, die ihn und seine Mit- oder Gegenspieler in ein neues Licht rücken: „Batman – The World“, „Batman vs. Ra’s al Ghul“, „Batman – Der weiße Ritter: Harley Quinn“ und der zweite Band von „Joker / Harley – Psychogramm des Grauen“.

Batman – The World

Benjamin von Eckartsberg, Brian Azzarello u. a. (Autoren), Lee Bermejo, Thomas von Kummant u. a. (Zeichner): „Batman – The World“.
Aus dem Englischen von Gerlinde Althoff. Panini, Stuttgart 2021. 188 Seiten. 20 Euro

Batman ist so globalisiert wie Pizza, Korruption oder das Internet, und in „Batman – The World“ gehört diese Internationalität zum eigenwilligen Konzept: 14 Künstler*innen-Teams aus verschiedenen Ländern rund um die Welt haben die Fledermaus in ihre jeweilige Heimat geschickt, und so reist Batman in dieser Kurzgeschichtensammlung von den USA über Deutschland und die Türkei nach Südamerika und Asien – nur für Afrika und Australien hat Bruce Wayne keine Tickets gebucht.

Künstlerisch wie erzählerisch unterscheiden sich die kurzen Beiträge erheblich. Der französische Beitrag von Mathieu Gabella und Thierry Martin inszeniert einen Dreikampf zwischen Batman, Wonder Woman und Catwoman im Louvre, bei dem es letzterer nur darum geht, das Lasso der Superheldin zu ergattern, um Batman eine Frage zu stellen, die wir als Leser*innen nur erahnen können. „Ja, bis zum Tod“, ist seine Antwort.

Der spanische Autor und Zeichner Paco Roca lässt Bruce Wayne in gleichförmiger Seitenarchitektur die Eintönigkeit eines Mittelmeer-Strandurlaubs erleben: am Buffet, im Hotelbett, in Badehose, ohne Badehose – bis er das Laissez-faire nicht mehr aushält und sein heroisches Kostüm wieder über den all-inclusive-gedunsenen Körper streift.

Führen die meisten Beiträge uns Leser*innen durch die Hauptstädte der Länder, haben sich Benjamin von Eckartsberg und Thomas von Kummant („Gung-Ho“) für einen anderen Weg entschieden. Der deutsche Comic spielt weit abseits von Berlin, Hamburg oder München in den Bayerischen Alpen, wo der Joker zwei Umweltaktivisten zu überzeugen versucht, einen korrupten Klimasünder hinzurichten. Ganz dicht am Fridays-for-Future-Diskurs.

Die 10-seitigen Geschichten präsentieren sehr unterschiedliche Fledermausmänner oft abseits klassischer Action: meist unterhaltsam und grafisch wie erzählerisch abwechslungsreich – wie eine großzügig belegte Pizza.

Batman vs. Ra’s al Ghul

Neal Adams (Autor & Zeichner): „Batman vs. Ra’s al Ghul“.
Aus dem Englischen von Bernd Kronsbein. Panini, Stuttgart 2021. 156 Seiten. 18 Euro

Der Anblick von Batman aus der Feder des gealterten Neal Adams löst bei mir seit „Odyssee“ nervöse Zustände aus: Die wirre und überladene Story um Batman, Bat-Man und Man-Bat hat Spuren in meinem traumatisierten Lektüregedächtnis hinterlassen.

Als Horden von Terroristen Gotham City bedrohen, springt ausgerechnet Ra’s al Ghul den Behörden zur Seite und bietet scheinbar großmütig seine Hilfe an. Batman traut dem Schurken natürlich nicht, wird aber in eine andere Dimension katapultiert, wo er unter Beteiligung von Deadman und Chiaroscuro ein Familiengeheimnis zu lüften versucht. In Gotham City ist inzwischen ein Wettkampf um Batmans Nachfolge entbrannt, und zugleich kämpft Ra’s al Ghul um ein Monopol in der örtlichen Energiewirtschaft.

Die Story, ursprünglich zwischen November 2019 und Juni 2021 erschienen, ist reichlich verworren, und umso undurchsichtiger wird es durch die diversen Doppelgänger, Roboter, Verkleidungen und dergleichen. Ständig raufen zwei oder drei Batmans mit mehreren Robins über die Seiten. Die wirren Szenen und schrillen Dialoge knüpfen so nahtlos an Neal Adams‘ missratene „Odyssee“ an, als würde es sich um exkursive Outtakes aus dieser handeln. Wieder begegnen wir Deadman alias Boston Brand (eine von Neal Adams erschaffene Figur), wieder wimmelt die Geschichte nur so vor Doppelgängern. Am schlimmsten aber sind die Dialoge, die sprunghaft-unterhaltend rüberkommen sollen, aber letztlich bestenfalls bemüht, oft fast unverständlich sind: „Wir können reden.“ – „Du bist mein Gefangener…“ – „Reden geht dennoch.“ – „Ich traue dir nicht.“ – „Ich dir auch nicht … los reden wir. Du könntest mir sagen, wo zur Hölle wir sind. Nicht in der Hölle.“ – „Du weißt, dass es verschiedene Dimensionen gibt?“ – „Na klaro.“ – „Bitte?“ Kaum zu glauben.

Die exaltierten Posen, die grimmig-überzeichneten Gesichter und die fratzenhaften Close-ups, das wilde Sammelsurium von ebenso plötzlich erscheinenden wie verschwindenden Figuren, zudem eine sprunghafte Handlung machen „Batman vs. Ra’s al Ghul“ zu einem permanenten Kampf des Lesers gegen die aktionistische Reizüberflutung, die Neal Adams hier so ausschweifend praktiziert.

Batman – Der weiße Ritter: Harley Quinn

Sean Gordon Murphy, Katana Collins (Autor*innen), Matteo Scalera (Zeichner): „Batman – Der Weiße Ritter: Harley Quinn“.
Aus dem Englischen von Jörg Faßbender. Panini, Stuttgart 2021. 164 Seiten. 19 Euro

Eigentlich hatte Sean Gordon Murphy für Sommer 2021 seinen Fans etwas anderes versprochen, nämlich den Abschluss seiner White-Knight-Trilogie. Nach dem Erfolg von „Der weiße Ritter“ (Panini 2019) und „Der Fluch des weißen Ritters“ (Panini 2020) hatte Murphy den Showdown für dieses Jahr angekündigt. Nun ist stattdessen ein Spin-off erschienen, das anstelle von Batman Harley Quinn und deren Dreiecksbeziehung mit Batman und dem Joker ins Rampenlicht setzt. Status: Es ist kompliziert: „Nicht er hat mich ruiniert… sondern ich ihn. Ohne mich würde der Joker nicht mal existieren.“ Es handelt sich also auch um eine Origin Story des beliebtesten Batman-Schurken überhaupt.

Gothams Filmstars vergangener Tage fallen einer Mordserie zu Opfer, und so wendet die Polizei sich an die Profiling-Expertin Harley Quinn, um mit ihrer Hilfe den Täter zu finden. Dabei muss sie, wie der Comic immer wieder betont, ihr Leben als alleinerziehende Mutter zweier Kinder, Jackie und Bryce, und Hüterin zweier zahmer Hyänen mit ihren beruflichen Ambitionen vereinbaren. Dass ihr all dies gelingt, ist ihre mächtigste Superkraft, obwohl sie selbst sich in Understatements flüchtet: „Ich versuch mich nur über Wasser zu halten.“

In zahlreichen Rückblenden erfahren die Leser*innen, wie Harleen Quinzel zur Psychologie fand, vor allem aber auch, wie Jack Napier zum Joker und darauf Harleen zu Harley Quinn wurde. Harleen lernte Jack während ihres Studiums kennen, verliebte sich in ihn und machte ihn ohne sein Wissen zum Objekt ihrer Dissertation: „Wie konntest du das hier veröffentlichen?“ Jack Napier tobt, und an diesem Punkt wird die schwierige Beziehung zu einer unmöglichen. Und Jack wird zum Joker.

Die Zeichnungen von Matteo Scalera („Black Science“) sind ähnlich kantig wie diejenigen von Sean Murphy („Punk Rock Jesus“), als dieser noch, wie in den ersten beiden Teil der White-Knight-Serie, selbst den Stift zur Hand nahm. Die Kriminal-Handlung ist spannend, wenngleich sie nicht mit den Rückblenden mithalten kann: Die Beziehung zwischen Harleen und Jack bzw. Harley und dem Joker gestaltet Murphy so interessant wie unterhaltsam. Bemerkenswert sind die schnellen Dialoge, in deren Verlauf Sean Murphy seinen Humor und sein Einfühlungsvermögen demonstriert.

Die Geschichte, quasi ein reines Corona-Projekt, erschien zuerst in sechs Heften zwischen Dezember 2020 und Mai 2021. Der vorliegende Sammelband enthält darüber hinaus noch ein Kapitel von „Harley Quinn Black + White + Red“.

Joker / Harley – Psychogramm des Grauen (Band 2)

Kami Garcia (Autorin), David Mack, Mico Suayan, Jason Badower (Zeichner): „Joker / Harley: Psychogramm des Grauens“. Band 2 (von 3).
Aus dem Englischen von Josef Rother. Panini, Stuttgart 2021. 108 Seiten. 20 Euro

Auch in diesem Projekt, dem Mittelstück einer Black-Label-Trilogie um Harley Quinn und den Joker, greifen eine Rückblickerzählung über die Anfänge des Jokers und eine Gegenwartshandlung über eine Mordserie ineinander. Im ersten Band, im August 2020 auf Deutsch erschienen, schilderte die US-amerikanische Autorin Kami Garcia die Morde eines kunstfixierten Psychopathen, der seine Opfer drappiert wie berühmte Ikonen der Kulturgeschichte. Harley Quinn arbeitet als lederjackenbewehrte Profilerin an dem Fall. In den Rückblenden erfahren die Leser*innen von der Jugend Harley Quinns wie auch derjenigen John Kellys, der sich zum Joker entwickeln wird.

Im zweiten Band, „Criminal Sanity“ #4 und 5 sowie einen Oneshot umfassend, steht John Kelly an einer Wegscheide, als er auf dem Weg zu einem Vorstellungsgespräch um ein Stipendium für die Wayne School von seinem rechten Pad abgelenkt und angegriffen wird. Sein Anzug ist ruiniert, und als er völlig verschmiert bei seinem Vater aufkreuzt, erfährt er, gar nicht dessen Sohn zu sein. Plötzlich zur Waise geworden ermordet John seinen Stiefvater – und wir wohnen der tragischen Origin Story des Jokers bei.

In der Gegenwartshandlung ereignen sich derweil zwei weitere, grotesk inszenierte Morde, allerdings besteht der Höhepunkt in der direkten Konfrontation zwischen dem Joker und Harley Quinn, weiter dramatisiert durch die Tatsache, dass letztere an einen Stuhl gefesselt ist.
Viel mehr geschieht in diesem Band nicht, auch deshalb, weil über zwanzig Seiten hinweg Beweismittel, Ermittlungsakten und Tatfotos in Szene gesetzt werden (im Original als Oneshot „Secret Files“ publiziert), leider ohne dass diese etwas Eigenes zur Handlung beitragen würden – vielmehr wiederholen diese Seiten nur, was zuvor längst geschildert wurde. Das im Vorgänger etablierte und interessante Setting einer wechselseitigen Jagd, ergänzt um die Rückblenden, kommt durch die Längen in diesem Band nicht so gut zur Geltung.

Im ersten Band waren die Gegenwarts- und Vergangenheitspassagen streng durch verschiedene Zeichner und deren sehr unterschiedliche Stile unterschieden, im vorliegenden Band erschließt sich das Konzept nicht gleichermaßen, da die Gegenwartshandlung mal in Schwarzweiß, mal in Farbe dargestellt ist.

„Bis bald, Dr. Quinn“ – damit verabschiedet der Joker sich von Harley Quinn im abschließenden Panel, wobei er in seinem unterirdischen Versteck, vor Monitoren sitzend, nicht grundsätzlich anders aussieht als der Dark Knight in seiner Batcave. Bis bald – im September 2021 ist in den USA die Gesamtausgabe erschienen, bei Panini ist der Abschlussband im Albenformat für Januar 2022 mit #6-8 angekündigt.

Gerrit Lungershausen, geboren 1979 als Gerrit Lembke, hat in Kiel Literatur- und Medienwissenschaften studiert und wurde 2016 promoviert. Er hat Bücher über Walter Moers, Actionkino und den Deutschen Buchpreis herausgegeben. 2014 hat er zusammen mit anderen das e-Journal Closure gegründet und ist bis heute Mitherausgeber. Derzeit lebt er in Mainz und schreibt für Comicgate und die Comixene. An der TU Hamburg-Harburg unterrichtet er Comic-Forschung.