Die besten Comics 2023

30 Kritikerinnen und Kritiker aus Deutschland, Österreich und der Schweiz, die in Presse, Rundfunk und Internet regelmäßig Comics, Mangas und Graphic Novels besprechen, haben auch dieses Jahr alle drei Monate eine gemeinsame Bestenliste zusammengestellt.

Hier folgt nun das Gesamtergebnis für 2023 mit den zehn besten Comics des Jahres. Weitere nach Comic-Gattungen sortierte Auswahllisten – wie die bereits veröffentlichte mit den Alben des Jahres 2023 – werden demnächst folgen.


Platz 1

Kate Beaton:

DUCKS – ZWEI JAHRE IN DEN ÖLSANDEN (Reprodukt/Zwerchfell)

Hardcover, 448 Seiten, zweifarbig, € 39,00, ISBN: 978-3-95640-383-5 • Übersetzung aus dem Englischen: Jan Dinter • Leseprobe

Andrea Heinze auf Comic.de: „Je mehr sich Kate Beaton an das Leben in den Ölfeldern gewöhnt – das dauert mehr als 250 Seiten –, desto mehr hat sie die soziale Frage im Blick: Warum werden die Männer so roh und übergriffig, wie sie es nie vorher erlebt hat? Männer, die aus derselben Gegend kommen wie sie selbst. Möglicherweise ist es die Einsamkeit, die Reizlosigkeit der Umgebung, die die Arbeiter in ihrer Männlichkeit noch toxischer werden lässt als an vielen anderen Orten. Viele der Männer versorgen mit dem Geld aus den Ölfeldern ihre Familien oder haben keine Chance auf eine andere Arbeit. Wer kein Geld hat, der hat keine Wahl.“


Platz 2

Anke Feuchtenberger:

GENOSSIN KUCKUCK (Reprodukt)

Hardcover, 448 Seiten, zweifarbig, € 39,00, ISBN: 978-3-95640-346-0 • Leseprobe

Andrea Heinze auf Comic.de: „Das Buch macht mit Goldschnitt und Prägung einen sehr wertigen Eindruck. Das scheint ein Gegensatz zur Kindheit von Kerstin zu sein, der es an Nähe und Zuwendung gemangelt hat. Und zugleich ist dieser Comic eine Aufarbeitung der deutschen, vor allem der ostdeutschen Geschichte, in der all das, was verdrängt wurde, wieder zum Vorschein gebracht wird und in die Biografien von Menschen integriert wird. Es ist eine deutsche Mentalitätsgeschichte – die wertvoll ist, weil sie so präzise Erfahrungen sammelt und beschreibt. Und weil das bei all den Zumutungen, die dieses Buch bietet, so unglaublich schön gezeichnet ist, dass es einen ungeheuren Sog entwickelt.“


Platz 3

Barbara Yelin:

EMMIE ARBEL. DIE FARBE DER ERINNERUNG (Reprodukt)

Hardcover, 192 Seiten, farbig, € 29,00, ISBN: 978-3-95640-396-5 • Leseprobe

Karin Krichmayr in Der Standard: „Ein herausragendes Porträt einer Holocaust-Überlebenden … ‚Ich erinnere mich nicht‘ oder ‚Ich will mich nicht erinnern‘ taucht immer wieder auf in den Gesprächen, die Yelin in einen meisterhaften Wechsel von Erzählebenen in Bild und Text einwebt, in denen Gegenwart und Vergangenheit immer wieder aufeinanderstoßen. Und so wird das Fassen des Sprachlosen in Bilder auch zu einem Reflektieren über den Prozess des Erinnerns und Vergessens.“


Platz 4

Igort:

BERICHTE AUS DER UKRAINE 2 – TAGEBUCH EINER INVASION (Reprodukt)

Softcover, 168 Seiten, farbig, € 26,00, ISBN: 978-3-95640-357-6 • Übersetzung aus dem Italienischen: Myriam Alfano • Leseprobe

Andrea Heinze auf Comic.de: „Es ist ein Kriegstagebuch, das Igort mit seinem aktuellen Comic vorlegt. Für jeden Tag des Angriffs von Russland beschreibt er, wie russische Truppen in die Ukraine einmarschieren – über Charkiw, Kramatorsk, Mariupol –, wie sie erobern und zurückgeworfen werden. Als es um die Verbrechen gegen die Menschlichkeit geht, die russische Soldaten in Butscha verübt haben, zeichnet Igort das Grauen nicht auf, sondern fasst es nur noch in Worte. ‚Ein Schauspiel von Grausamkeit und Folter. Abgetrennte Gliedmaßen, herausgeschnittene Zungen, das Gemetzel eines Krieges, in dem die Opfer das einzige Menschliche sind.‘ Dazu sieht man die wehenden Gardinen eines zerstörten Hauses im Regen. Die Ukraine ist durch diesen Krieg zu einem Land der Unbehausten geworden. Nichts scheint mehr sicher. Mit seinem ‚Tagebuch einer Invasion‘ verdichtet Igort die persönlichen Erlebnisse von Menschen in der Ukraine und seine Recherchen auf eine Weise, dass es mitunter poetisch wirkt – und gerade so fassbar macht, wie unmenschlich Krieg ist.“


Platz 5

Joann Sfar:

DIE SYNAGOGE (avant-verlag)

Hardcover, 208 Seiten, farbig, € 30,00, ISBN: 978-3-96445-102-6 • Originalveröffentlichung 2022 unter dem Titel „La synagogue“ beim französischen Verlag Dargaud • Übersetzung aus dem Französischen: Annika Wisniewski • Leseprobe

Tobias Prüwer in der Jüdischen Allgemeinen: „Wie in vielen seiner Comics setzt sich Joann Sfar in ‚Die Synagoge‘ mit Aspekten des Judentums auseinander. Wie in keiner anderen Geschichte aber wird er hier sehr persönlich. Im Album vereint er Reflexionen aus dem Frankreich der 80er-Jahre mit autobiografischen Fragmenten. Der Titel verweist auf das sakrale Gebäude seiner Kindheit und Jugend, das für Sfar Langeweile bedeutete und dessen Wachschutz er besorgte. Er meint aber zugleich die Versammlung der jüdischen Gemeinschaft – inklusive antisemitischer Projektionen darauf.“


Platz 6

Sophie Guerrive, Benjamin Abitan, Olivier Schwartz:

SPIROU UND FANTASIO 54: Der Tod von Spirou (Carlsen Comics)

Softcover, 64 Seiten, farbig, € 12,00, ISBN: 978-3-551-77464-4 • Originalveröffentlichung 2022 unter dem Titel „La mort de Spirou“ im belgischen Magazin „Spirou“ des Dupuis Verlags • Übersetzung aus dem Französischen: Marcel Le Comte • Leseprobe

Bernd Weigand auf comicleser.de: „Guerrive und Abitan lassen auch pflichtbewusst das Stammpersonal der Serie auftreten, ohne dieses zu sehr zu strapazieren. Der Graf von Rummelsdorf versorgt Spirou und Fantasio in bester 007-Q-Manier mit einem Pilz-Gimmick, das natürlich passend genutzt wird, und Zyklotrops unvermitteltes Auftauchen bringt die Handlung erst in Gang. Daneben sehen wir Steffani und Gaston in Minirollen. Ansonsten dominieren unsere beiden Helden das Geschehen. Zeichner Olivier Schwartz siedelte seine Geschichten und Reihen bisher meist in der Vergangenheit an, seine Zeichnungen, die an die des früh verstorbenen Yves Chaland erinnern, mischen Moderne und Klassik, zeigen einen klaren, markanten, weniger runden Strich und sind dabei sehr detailliert ausgearbeitet.“


Platz 7

Xavier Dorison, Thimothée Montaigne:

1629. Band 1 (Splitter Verlag)

Hardcover, 136 Seiten, farbig, € 35,00, ISBN: 978-3-98721-187-4 • Originalveröffentlichung 2022 unter dem Titel „1629… ou l’effrayante histoire des naufragés du Jakarta“ im französischen Verlag Glénat • Übersetzung aus dem Französischen: Harald Sachse • Leseprobe

Kevin Sachs auf ComicGinger: „Die Tragödie der Jakarta, die auf wahren Begebenheiten beruht, soll demnach als Aufhänger für weitaus größere Fragen dienen. Es geht um das Führen und geführt werden und um Macht und Machtmissbrauch. Dorisons Credo: Was auf der Jakarta geschehen ist, kann jederzeit wieder geschehen. Kein Mensch kann sich der Tatsache verwehren, dass Menschen in bestimmten Situationen zu unvorstellbar schrecklichen Taten fähig sind.“


Platz 8

Hayao Miyazaki:

SHUNAS REISE (Reprodukt)

Hardcover, 160 Seiten, farbig, € 20,00, ISBN: 978-3-95640-395-8 • Originalveröffentlichung 1983 unter dem Titel „Shuna no Tabi“ beim japanischen Verlag Tokuma Shoten • Übersetzung aus dem Japanischen: Nora Bierich • Leseprobe

Christian Endres auf DieZukunft.de: „Nicht nur in Shuna und dessen Reittier (das seinen Gattungsbegriff als Namen weitergab) erkennt man problemlos Elemente, die Oscar-Gewinner Miyazaki später in ‚Nausicaä‘ und ‚Prinzessin Mononoke‘ aufgreifen, in beiden Fällen zu einer noch magischeren, noch dichteren Geschichte über die Natur sowie die Natur des Menschen weiterspinnen sollte. Der ganze Look und Spirit des etwas gehetzt endenden Emonogatari scheint also wie ein Wegweiser für Miyazaki und Ghibli deutbar.“


Platz 9

Tom Gauld:

DIE RACHE DER BÜCHER (Edition Moderne)

Hardcover, 160 Seiten, farbig, € 22,00, ISBN: 978-3-03731-250-6 • Übersetzung aus dem Englischen: Christoph Schuler • Leseprobe

Andrea Heinze auf rbbKultur: „Für seine Literatur-Comic-Strips hat Tom Gauld sich verschiedene Rubriken ausgedacht: Grafiken zu Literaturstatistiken gehören dazu, Analysen von Romanhandlungen, Genreparodien, Alternative Buchtitel, Freud und Leid von Buchliebhaber*innen und die Typisierung von Schriftsteller*innen. Für jede Rubrik findet Tom Gauld einen eigenen Stil. Die Grafiken zu den zum Teil selbst erfundenen Literaturstatistiken sind Diagramme, aber auch Zeichnungen zu Schnittmengen. Etwa wenn es um das persönliche Buchjahr geht, dann gehören zur Menge der Bücher, die empfohlen werden auch jene, die man gar nicht selbst gelesen hat. Diese Grafiken sind klar und übersichtlich. Verspielter wird der Strich dagegen bei Stoffanalysen, etwa häufigen Fehlern von Autoren bei Liebesromanen: zu viele Figuren, zu viele Hindernisse oder schlicht zu prüde. Die Bilder dazu zeichnet Tom Gauld mit schraffiertem Strich und überbordenden Details.“


Platz 10

Chloé Cruchaudet:

CÉLESTE – »GEWISS, MONSIEUR PROUST« Erster Teil (Insel)

Hardcover, 124 Seiten, farbig, € 25,00, ISBN: 978-3-458-68307-0 • Originalveröffentlichung 2022 unter dem Titel „Céleste – ‚Bien sûr, Monsieur Proust'“ beim französischen Verlag Soleil • Übersetzung aus dem Französischen: Andrea Spingler • Leseprobe

Andreas Platthaus auf faz.net: „Die Titelheldin Céleste Albaret, Prousts berühmte Haushälterin, die ihn die letzten acht Jahre seines Lebens, also von 1914 bis 1922, betreute, ist durchaus selbst als Hauptfigur geeignet: Sie genoss eine besondere Vertrauensstellung … Es handelt sich also bei dem Comic um eine Rekonstruktion der wechselseitigen Faszination dieses seltsamen Gespanns aus großbürgerlichem Schriftsteller und nahezu illiterater Landpomeranze. Das ist wunderbar zu lesen: ebenso witzig wie einfallsreich.“


DIE MEDIENPARTNER

buchreport – Die meinungsbildende Fachzeitschrift für die Buchbranche
Comic.de – Das Magazin für Comic-Kultur im Internet
rbbKultur – Deine Ohren werden Augen machen
Der Tagesspiegel– Die größte Zeitung der Hauptstadt


DIE JURY

Niels Beintker (Bayerischer Rundfunk, https://t1p.de/8o0h)
Barbara Buchholz (Der Tagesspiegel, Schnüss, http://t1p.de/p02p)
Anne Delseit (Animania, https://t1p.de/ae4v)
Christian Endres (die zukunft, Geek!, http://t1p.de/ukpk)
Birte Förster (Titel Kulturmagazin, Der Tagesspiegel, http://t1p.de/qtej)
Gerhard Förster (Die Sprechblase, http://t1p.de/wv34)
Christian Gasser (Radio SRF 2, Neue Zürcher Zeitung, http://t1p.de/mlz5)
Meheddiz Gürle (Lektoratsdienste des ekz.bibliotheksservice, https://t1p.de/qsog)
Christoph Haas (Süddeutsche Zeitung, taz. die tageszeitung, http://t1p.de/fqdm)
Volker Hamann (Alfonz, Reddition, http://t1p.de/lr8o)
Andrea Heinze (Deutschlandfunk, rbbKultur, https://t1p.de/lcg9)
Jule Hoffmann (Deutschlandfunk Kultur, http://t1p.de/htfj)
Alex Jakubowski (ARD-aktuell, Comic-Denkblase, https://t1p.de/34ug)
Lucas Sebastian Jordan (Manga Passion, https://t1p.de/7ig7)
Martin Jurgeit (Buchreport, die neunte, http://t1p.de/mnzr)
Michael Klamp (Ostsee-Zeitung, Rostock, https://t1p.de/z4pe)
Karin Krichmayr (Der Standard, http://t1p.de/yjp7)
Jörg Krismann (Comixene, http://t1p.de/axkj)
Gerrit Lungershausen (Comicgate, Comic.de, Closure, http://t1p.de/7xy3)
Mattes Penkert-Hennig (Dein Antiheld, http://t1p.de/5j86)
Claudia Reicherter (Reutlinger General-Anzeiger, http://t1p.de/8v3n)
Martin Reiterer (Wiener Zeitung, http://t1p.de/71xu)
Volker Robrahn (Comic-Talk, http://t1p.de/m4q0)
Martin Schöne (3sat, http://t1p.de/qzyh)
Sabine Scholz (Animania, Der Tagesspiegel, http://t1p.de/g2ju)
Christa Sigg (Abendzeitung, http://t1p.de/g2ju)
Anna Mháire Stritter (Orkenspalter TV, https://t1p.de/lyts)
Lars von Törne (Der Tagesspiegel, http://t1p.de/zuip)
Ralph Trommer (taz.die tageszeitung, http://t1p.de/cagt)
Gesa Ufer (Deutschlandfunk Kultur, rbb radioeins, https://t1p.de/1ky28)