Die besten Comics 2017

Es ist wieder Zeit für Bilanzen. Das Jahr 2017 ist fast vorbei, und wir wollten erneut von unseren AutorInnen wissen, welche fünf deuschsprachigen Veröffentlichungen ihre diesjährigen Favoriten waren. Hier sind ihre Antworten:

HOLGER BACHMANN (in loser Reihenfolge)

Deadpool: Viel Lärm um Deadpool von Ian Doescher und Bruno Oliveira (Panini)
Der Barde und der Söldner mit der großen Klappe: ein Team-Up aus dem Marvel-Himmel! Wade Wilson kalauert sich durch Hamlet, Macbeth, King Lear und Romeo und Julia. Das kann nur wunderbar sein, vor allem wenn es so kenntnisreich mit Originaltexten umgesetzt ist wie hier von Ian Doescher. Meiner Treu!

Slaine von Pat Mills, Angie Kincaid u. a. (Dantes Verlag)
Endlich vollständig in der richtigen Chronologie: die Abenteuer des missratenen Cousins von Conan dem Barbaren. Neben „Judge Dredd“ wohl eine der langlebigsten Kreationen der British Wave, direkt aus den Seiten des 2000 AD-Magazins entsprungen, dessen Gründer Pat Mills die Figur des Slaine Mac Roth respektlos formte und mit jeder Menge keltischer Magie zackig auflud.

Lady Mechanika von Joe Benitez (Splitter)
Steampunk par excellence: als ob Jules Verne noch mal ordentlich aufdrehen würde. Eine Zukunftsstadt, Cyborgs, Retro-Technik und ein mysteriöser Plot – mehr kann man eigentlich nicht wollen.

H. G. Wells: Die Zeitmaschine von Dobbs und Mathieu Moreau (Splitter)
Der Klassiker von H. G. Wells in kongenialer Umsetzung: die einflussreiche Anti-Utopie und Mutter aller Science-Fiction-Romane von Geschichtsspezialist Dobbs passend nacherzählt und stilecht viktorianisch aufgemacht. Da macht sogar eine sozialistische Botschaft Spaß!
 
Batman: The Killing Joke von Alan Moore und Brian Bolland (Panini)
Die Neuauflage der vielleicht formativsten Joker-Story, in wunderbar subtiler Kolorierung und mit ausführlichem Anhang. Ein Vexierspiel, in dem nicht zuletzt die Sprache zur tödlichen Waffe wird. Niemals wurde deutlicher, dass Batman und sein liebster Feind nur die Kehrseite der gleichen psychotischen Medaille sind. Und seien wir mal ehrlich: „If life treats you bad – don’t get even, get mad!“ – manchmal scheint dieses Motto des Jokers doch durchaus angebracht…

 

CHRISTOPH HAAS

5. Patience von Daniel Clowes (Reprodukt)

4. Paper Girls von Brian K. Vaughan und Cliff Chiang (Cross Cult)

3. Stupor Mundi von Néjib (Schreiber & Leser)

2. Tungstenio von Marcello Quintanilha (Avant-Verlag)

1. Der Sommer ihres Lebens von Thomas von Steinaecker und Barbara Yelin (Reprodukt)
Was bleibt am Ende eines Lebens? Überwiegen Scheitern oder Gelingen? Und fügt sich alles zu einem Bild, oder ist da nur ein Durcheinander disparater Erfahrungen? Thomas von Steinaecker wagt sich in „Der Sommer ihres Lebens“ an die ganz großen, letzten Fragen; in Barbara Yelin hat er eine Zeichnerin gefunden, die sein meisterhaftes Szenario kongenial in kühnen Seitenkompositionen umsetzt.

 

ANDREA HEINZE (via Der Tagesspiegel)

5. Der Ursprung der Welt von Liv Strömquist (Avant-Verlag)
„Der Ursprung der Welt“ ist Biologiebuch, Geschichtswerk, politisches Manifest – und eine Dokumentation über die Scham, die Frauen auch heute noch vielfach wegen ihrer Vulva empfinden. Die gesammelten Gefühlslagen und Fakten präsentiert Liv Strömquist in einem unglaublichen Stilmix und kommentiert selbst die absurdesten Zuschreibungen an das weibliche Geschlecht mit trockenem Humor. Dieser Humor ist auch deshalb großartig, weil Strömquist zeigt, wie jahrhundertealte Zuschreibungen bis heute nachwirken. Darüber sollte man einfach nur lachen können.

4. Unlucky young men von Eiji Otsuka und Kamui Fujiwara (Carlsen Manga)
Die japanische Studentenrevolte, ein Raubüberfalll und der junge Kinostar Takeshi Kitano in einer Hauptrolle – Autor Eiji Otsuka verwebt geschickt Zeitgeschichte und Fiktion zu einer Hommage an Kino und Musik der 1960er Jahre. Dazu gibt es Lyrik von Takuboku Ishikawa. Allein dieses hartgesotten-melancholische Gewebe macht den Manga lesenswert. Die atemberaubend präzise gezeichneten schwarz-weiß-Bilder tun ihr Übriges: Eine Langspielplatte etwa sieht mit ihren glänzenden Rillen so täuschend echt aus, dass man Sorge hat, sie könnte beim Umblättern Kratzer bekommen. Und dann erzeugt Zeichner Kamui Fujiwara enge Räume, die sich ganz leicht wölben. Das sieht man weniger, sondern spürt eher ein Unbehagen, das die jungen japanischen Wilden durch den ganzen Manga begleitet. „Unlucky Young Men“ ist große Mangakunst.

3. Nick Cave von Reinhard Kleist (Carlsen)
Caves Lebensereignisse werden in dieser Comicbiografie nicht einfach brav in zeitlicher Reihenfolge arrangiert, sondern von Reinhard Kleist auseinandergenommen, immer wieder neu aus unterschiedlichen Perspektiven erzählt und mit illustrierten Songtexten und der ein oder anderen biografischen Erfindung versehen. So entsteht ein dichtes und verschachteltes Gewebe von Caves Leben wie es war – oder hätte sein können. Das ist spannend zu lesen und auch passend, weil Nick Cave seine Biografie selbst auch immer wieder verschleiert und an seinem Mythos strickt. Und ganz nebenbei setzt Kleist mit seinem Comic auch dem West-Berlin der 80er Jahre ein Denkmal – mit Bildern vom Ku´damm, Tegel und den autonomen Partys in Kreuzberg.

2. Brodecks Bericht von Manu Larcenet (Reprodukt)
Nur wenige Comickünstler schaffen es wie Manu Larcenet, mit nur wenigen Panels ganze Gefühlswelten zu vermitteln. In der Literaturadaption „Brodecks Bericht“ wird schon auf der ersten Seite klar, wie isoliert die Menschen in dieser Geschichte sind. Selbst die, die in der Menge stehen, wirken verlassen – diese Menschen sind allein durch ihre Schuld, und jede ihrer Rechtfertigungen lässt sie noch mehr allein sein. Das zieht sich durch das ganze Buch. Der Holocaust dient in „Brodecks Bericht“ als Folie für einen Mord, den eine französische Dorfgemeinschaft nach dem Krieg an einem Fremden verübt. In dem Comic geht es um Mitläufer und Massenhysterie, also um all das, was den Holocaust möglich gemacht hat – und was mit dem Ende des Nationalsozialismus längst nicht vorbei ist, wie der Mord im Wirtshaus zeigt.

1. Wie ich versuchte, ein guter Mensch zu sein von Ulli Lust (Suhrkamp)
Ulli Lust hat in dem zweiten Teil ihrer Comic-Autobiografie Erotik aus weiblicher Perspektive gezeichnet. Das ist schon deshalb besonders, weil es dafür in der westlichen Welt – anders als zum Beispiel im japanischen Manga – überhaupt keine Tradition gibt. Die Bilder, die sie für ihre Lust findet, sind kraftvoll, ungewohnt und mutig. Allein deshalb gebührt „Wie ich versuchte ein guter Mensch zu sein“ der Titel bester Comics des Jahres. Und der hat eine ausgezeichnet erzählte Geschichte. Ulli Lust zeigt neben all der Erotik auch die Probleme, die eine offene Dreierbeziehung mit sich bringen kann. Eifersucht gipfelt hier in Brutalität. Und es ist gar nicht so leicht, da raus zu finden, weil Erotik mitunter einen starken Sog entwickeln kann.

 

SVEN JACHMANN

5. Herbst in der Hose von Ralf König (Rowohlt)
Irgendwann herrscht Ebbe. In der Hose und, sofern man nicht reich geboren wurde oder via Heirat einen Klassentransfer hingelegt hat, auch auf dem Konto. Hard facts. Die hiesigen Rentenprognosen sind so düster wie die globalen politischen und ökologischen Entwicklungen. Und dann droht auch noch die Andropause. Altern ist ein rechter Dreck. Mit Widerstand und Rebellion kommt man dieser Zumutung nicht bei. Da hilft nur Lebenshilfe. Und wenn man liest, wie klug der begnadete Autor und Humorist Ralf König seine Figuren Konrad und Paul (und nicht nur die) zunächst ein wenig stört, langsam durch einen Alltag unter immer mieseren Bedingungen führt, dann in Rente und schließlich ins Altersheim schickt, ohne sie der Verbitterung auszuliefern, dann entzündet er uns allen ein Lichtlein: wie sich womöglich doch würdevoll altern ließe in einer verhärteten Welt, die bereits das Reden vom guten Leben als Utopie desavouiert hat.

4. Kobane Calling von Zerocalcare (Avant-Verlag)
2014 und 2015 fuhr der italienische Bestseller-Comiczeichner Zerocalcare ins kurdische Autonomiegebiet Rojava. In „Kobane Calling“ berichtet er über den Kampf der kurdischen Milizen gegen den IS und dessen Unterstützer. Ein hartes Thema, und zweifellos ist es Zerocalcares Vergangenheit als Punk, Hausbesetzer und Anarchist zu verdanken, dass die Umsetzung trotzdem verdammt komisch geraten ist. Denn wo der „klassische“ Journalist einem auktorialen Erzähler gleich stets über das Material im (zumindest idealtypischen Fall) Dienste der Aufklärung herrscht und es entsprechend arrangiert, geht Zerocalcare den genau entgegengesetzten Weg: Er rückt sein Nichtwissen in den Mittelpunkt, stellt, wenn man so will, seine journalistische Schwäche aus und untergräbt seine allwissende Erzählerposition mithilfe zahlreicher Figuren aus dem Medien- und Popkulturzirkus. Kaum zu glauben, aber das Ergebnis ist lustig und lehrreich und grundiert noch dazu einen mindestens eigenwilligen Ansatz innerhalb der Comicreportage.

3. Wie ich versuchte, ein guter Mensch zu sein von Ulli Lust (Suhrkamp)
Es ist noch gar nicht lange her, da war Erotik im europäischen Mainstream-Comic vornehmlich eine großangelegte Altherrenfantasie aus fotorealistischen prallen Brüsten und Hintern, die aus allerlei ausweglosen Situationen gerettet werden mussten. Weibliche Perspektiven mussten in den distributorischen Grenzen der Independent-Comics erkämpft werden. Heute erscheinen beispielsweise die Werke Ulli Lusts bei Suhrkamp, ebenso dutzendfach übersetzt im Ausland. Das gibt ein bisschen Hoffnung.
„Wie ich versuchte, ein guter Mensch zu sein“, das rund zehn Jahre später in den 90ern einsetzende Sequel zum großen Durchbruch „Heute ist der letzte Tag vom Rest deines Lebens“, erzählt von einer polyamourösen Dreierbeziehung, die immer schwieriger wird, je stärker sich männlicher Stolz und traditionelle Rollenmuster Bahn brechen. Der Comic feiert das freie Begehren, den Sex und die ekstatischen Körper, unterschlägt aber keineswegs, dass sich die Figuren nicht im gesellschaftsisolierten Raum bewegen. Macht und Herrschaft kommen ins Spiel, Rollenbilder und Besitzansprüche, die mit Gewalt durchgesetzt werden, der Verlauf gerät schrecklich und brutal. Was aber nicht dem Versuchsmodell an sich angekreidet wird, wie von manch hämischem Rezensent behauptet.
„Wie ich versuchte…“ erzählt gleichfalls von Rassismus, dessen Verzahnung mit Misogynie besonders augenscheinlich in einer Passage zutage tritt, in der sich Lusts Alter Ego nach langem Überlegen in Todesangst an die Polizei wendet, die Beamten da allerdings nur achselzuckend ihre Handlungsunfähigkeit bemerken, den Apparat später jedoch umso schneller in Bewegung setzen, als sie erfahren, dass es sich beim Täter um einen Nigerianer ohne Aufenthaltsgenehmigung handelt. So waren die 90er, so ist die Gegenwart.

2. Das Hochhaus von Katharina Greve (Avant-Verlag)
„Asihochhäuser sind total beschissen“, verkündete einst die Punkband Hammerhead. Ich fand das damals einleuchtend. Hinter verschlossenen Türen spielen sich meist unheimliche Dinge ab, und viele Wohneinheiten müssten das Verhältnis folglich nur potenzieren. Ja, ein ziemlich apodiktisches Urteil, daran erinnert mich Katharina Greves fantastisches Formexperiment „Das Hochhaus“. Sie blickt direkt in die Wohnungen und klärt ein für alle Mal, was sich wohl hinter all diesen Fenstern abspielen mag. Es sind irre Begegnungen, Alltagsdramen des gesellschaftlichen Querschnitts, gleichwohl man so viele gute Gaglieferanten nicht in einem Hochhaus finden wird. Jede Panelreihe bildet eine Etage, in Summe ergeben sie ein 102-stöckiges Wolkenkratzerungetüm, erhältlich als Webcomic, als gedrucktes Buch und sogar als sieben Meter lange Comicrolle! Jede Editionsvariante lohnt, und überdies ist das Ganze visuell auch noch ein herrliches Update der ligne claire.

1. Brodecks Bericht von Manu Larcenet (Reprodukt)
Der Plot, ursprünglich ein Roman von Philippe Claudel, verknüpft anfänglich Kafka mit Brecht. Da wird der Naturkundler Brodeck von seinen Nachbarn, den Bewohnern eines entlegenen Dorfes, mit dem Verfassen eines ominösen Berichts beauftragt. Warum und worüber bleibt erst einmal unklar, aber schon ihre grimmigen, ernsten Mienen signalisieren, dass er ihrem Wunsch um des eigenen Überlebens willen besser Folge leisten sollte. Langsam schält sich heraus, dass Brodeck einen Mord beschönigen soll: Ein Fremder, von allen bloß „der Andere“ genannt, kam ins vom Krieg gezeichnete Dorf, und weil er den BewohnerInnen einerseits überaus freundlich entgegentrat, andererseits sehr zurückgezogen lebte, schlägt die anfängliche Faszination in Abscheu um – das Todesurteil. Im Roman spielt sich vermutlich alles im Elsass kurz nach dem Zweiten Weltkrieg ab, Manu Larcenet bleibt in seiner Adaption zunächst nebulös, aber die Schlüsselbilder der Moderne finden sich schließlich auch hier: Folterungen und Drangsalierungen in Konzentrationslagern. Später wird klar: Die Dorfgemeinschaft lieferte den Besatzern Brodeck als Bauernopfer, ihre kollektive Schuld als Kollaborateure erhält durch ihn, der nach dem Krieg weiter unter ihnen lebt, ein Gesicht. Die Ankunft „des Anderen“ rüttelt an dem Trauma, als Mörder unbehelligt weiterzuleben. Eine Mikrostudie des autoritären Charakters und der Vergangenheitsbewältigung der Täter: Die Schuld liegt immer beim Opfer. In Brodecks Aufzeichnungen heißt es: „Da ich dies schreibe, begreife ich plötzlich, wie gefährlich es ist, Unschuldiger unter Schuldigen zu sein. Im Grunde nicht anders, als der einzige Schuldige unter Unschuldigen zu sein.“ Das Thema steckt bereits im Stil: Die beklemmenden Bilder wirken, als ob sich in ihnen Expressionismus und Naturalismus um die Deutungshoheit der barbarischen Verhältnisse duellierten. Kein Geschichtscomic, sondern komplex komponierte Gegenwartsdiagnose menschlicher Grausamkeit.

 

MATTHIAS PENKERT-HENNIG

5. Blacksad von Juanjo Guarnido und Juan Díaz Canales (Carlsen)
Vermenschlichte Tiere in verruchten Noir-Szenarien sind zwar keine Seltenheit in Comic-Büchern, aber so wunderschön und stilsicher wie in „Blacksad“ sind sie selten. Da kommt Carlsens aufwendige Gesamtausgabe gerade richtig!

4. Manifest Destiny von Chris Dingess und Owen Gieni (Cross Cult)
„Manifest Destiny“ ist ein völlig zu Unrecht im Schatten der großen US-Lizenzen segelndes Abenteuer-Monstrum, das mit einem unverbrauchten Szenario zur Zeit der Besiedelung Amerikas, klassisch-ruppigem Horror und unverhofften Mystery-Wendungen punktet. Die momentan beste Skybound-Serie!

3. Low von Rick Remender und Greg Tocchini (Splitter)
Rauschhafte Bilder, dramatische zwischenmenschliche Abgründe und eine extrem eigenständige Erzählweise machen die Unterwasser-Dystopie zu absolutem Pflichtprogramm für Freunde unverbrauchter Scifi-Settings. Dass „Low“ auch nach drei Bänden noch ein Geheimtipp ist, ist ein Verbrechen!

2. Innocent von Shinichi Sakamoto (Tokyopop)
Wer noch immer glaubt, Manga sind reduzierte, stets actionorientierte Fließband-Produktionen, der hat das letzte Jahrzehnt unter einem dicken Stein verbracht. „Innocent“ beweist wie aufwändig, wie unverbraucht und wie erbarmungslos japanische Szenarien sein können. Intensives Drama über den Henker der französischen Revolution.

1. Allein von Bruno Gazzotti und Fabien Vehlmann (Piredda)
Waschechtes Endzeitflair, dass auch endlich mal für jüngere Leser geeignet ist, ganz ohne Gewaltexzesse. Trotzdem scheut „Allein“ sich nicht vor düsteren, bedrohlichen Themen wie faschistischen Strukturen oder häuslicher Gewalt und beweist, dass traditionelle Funny-Knollennasen mit ein wenig Fingerspitzengefühl in wirklich jedes Szenario passen. Großartig.

 

SONJA STÖHR

5. Bird Boy 1. Das Schwert des Mali Mani von Anne Szabla (Popcom)
Immer mal wieder finden herausragende Webcomics ihren Weg in die Welt der Printveröffentlichungen. Genauso erging es dieses Jahr dem mit einem Eisner-Award ausgezeichnete Webcomic »Bird Boy« der Amerikanerin Anne Szabla. Sie entführt ihre Leser in eine fantastische Welt, die von der südamerikanischen Kultur der Azteken und Inka genauso inspiriert zu sein scheint wie von den mythischen Figuren aus dem Hause Ghibli. Erzählt wird die Geschichte des Findelkinds Bali, das nach einem Missgeschick das legendäre Schwert des Mali Mani entdeckt. Dieser Fund wird das Leben des Außenseiters radikal verändern und ist der Auftakt zu einem sehr lesenswerten Fantasy-Abenteuer.

4. Hilda und der Steinwald von Luke Pearson (Reprodukt)
Hilda erlebt jeden Tag in Trollberg aufregende Abenteuer mit ihren Freunden und ihrem Haustier Hörnchen. Ihrer Mutter gefällt Hildas Abenteuerlust jedoch nur bedingt, und deshalb bekommt das junge Mädchen mit den auffallend blauen Haaren Stubenarrest. Dieser endet – wie sollte es auch anders sein? – in einem weiteren Ausflug in die phantastische, skandinavisch anmutende Umgebung von Hildas Heimatstadt. Wie schon die vorangegangenen vier Bände besticht auch „Hilda und der Steinwald“ durch viel Charme, Witz, Liebe und ein gutes Verständnis für die Probleme und Vorurteile des Alltags. Die für nächstes Jahr angekündigte Netflix-Verfilmung muss sich an den phantastischen „Hilda“-Comics messen lassen – und die Latte hierfür wird von Band zu Band höher gelegt.

3. Magdas Apokalypse von Chloé Vollmer-Lo und Carole Maurel (Splitter Verlag)
Wie fühlt es sich an, wenn ein Teenager gleich um zwei Geburtstage betrogen wird? Genau das passiert Magda. Schlimm genug, dass einen Tag vor ihrem 14. Geburtstag die Welt untergehen soll, doch es wird noch schrecklicher, denn diese Hiobsbotschaft erreicht die Menschheit genau ein Jahr vorher. Für Magda fällt nicht nur der morgige Ehrentag aus, sondern auch die Zukunft. Ihre Suche nach Halt in einer Gesellschaft, die zunehmend aus den Fugen gerät, hat das Kreativduo Vollmer Lo und Maurel eindrucksvoll in Szene gesetzt. „Magdas Apokalypse“ ist ein bedrückender grafischer Roman über das Erwachsenwerden.

2. Die Schatzinsel von Teresa Radice und Stefano Turconi (LTB 491, Egmont Ehapa Media)
Zum 50. Geburtstag des Lustigen Taschenbuchs gab es für Enten- und Mäusefans gleich mehrere Highlights, z. B. in Form von Sondereditionen. Doch auch die reguläre Ausgabe hatte einiges zu bieten. Die wohl beste Geschichte des Jahres erschien gleich im Februar und zeigt die Liebe der Entenhausener (und ihrer Zeichner) für die Literatur: Micky Maus, Goofy, Kater Karlo, Kommissar Hunter und Rudi Ross sind die Hauptfiguren in der Romanadaption von Robert Louis Stevensons zeitlosem Klassiker „Die Schatzinsel“ – ein wahrlich herausragendes Comicabenteuer aus Italien.

1. Der große böse Fuchs von Benjamin Renner (Avant-Verlag)
Es gibt nur wenige Comics, bei denen jedes einzelne Panel für sich genommen ein eigenes kleines Kunstwerk darstellt. Benjamin Renner ist dieses Kunststück mit seinem Debütcomic „Der große böse Fuchs“ gelungen. Er erzählt von dem verzweifelten Versuch eines ganz und gar nicht bösen Fuchses, endlich etwas Geflügel zwischen die Zähne zu bekommen. Kurzerhand hört Herr Reinecke auf den Ratschlag des wahrlich bösen Wolfes: Warum nicht ein paar Eier stehlen und das Futter selbst ausbrüten und mästen? Dumm nur, dass aus ihnen drei entzückende Küken schlüpfen, die den Fuchs zu ihrer Mutter erklären… Der Animationskünstler Renner hat es geschafft, die Schwierigkeiten des Elterndaseins in einer grafisch ansprechenden Fabel zu erzählen, bei der fast jede Zeichnung eine eigenständige Karikatur ist. Ein großer Spaß – nicht nur für (werdende) Eltern!

 

BERND WEIGAND (in loser Reihenfolge)

Dan Cooper Gesamtausgabe von Albert Weinberg (Splitter)
Eine vorbildlich aufgemachte Gesamtausgabe der Abenteuer von Albert Weinbergs kanadischen Piloten, die im Mai 2018 mit Band 13 abgeschlossen sein wird. Für mich als Leser des alten Zack Nostalgie pur, auch wegen des opulenten Zusatzmaterials, mit dem jeder Band glänzt. Gleiches gilt übrigens für die „Rick Master“-Gesamtausgabe, die sogar 25 Bände (!) umfassen wird.

Brodecks Bericht von Manu Larcenet (Reprodukt)
„Blast“ war schon heftig und eindringlich. Und auch das neue Werk von Manu Larcenet widmet sich einem einsamen Helden und beeindruckt dabei nicht nur durch die intensive Story (als Adaption von Philippe Claudels gleichnamigen Romans), sondern durch seine finsteren Breitwand-Panels, die das Querformat bestens ausnutzen.

Mickey’s Craziest Adventures von Lewis Trondheim und Nicolas Keramidas (Egmont)
Franko-belgisch meets Disney. Gemeinsam mit Nicolas Keramidas schafft Lewis Trondheim ein Abenteuer, in dem sich alle klassischen Disney-Charaktere ein Stelldichein geben. Dabei bedienen sich die beiden eines cleveren Kunstgriffs. Und jede Seite dieser durchgehenden Story lässt sich auch als One-Pager lesen. Frech, frisch und originell.

Sandman Deluxe-Ausgabe von Neil Gaiman, Sam Kieth und Mike Dringenberg (Panini)
Neil Gaiman ist gerade mit „American Gods“ wieder in aller Munde. Sein Opus Magnum um den Traumkönig Morphes wird von Panini ebenfalls neu aufgelegt und das erstmals im größeren HC-Format. Band 2 ist gerade erschienen. Für alle, die den SC-Run verpasst haben.

Die drei Geister von Tesla von Richard Marazano und Guilhem (Splitter)
Genies unter sich: Tesla meets Edison. Ein gewagter aber bestens funktionierender Genre-Mix, der Science Fiction, Steampunk, Noir und Thriller inhaltlich und optisch gekonnt verbindet.