Die besten Comics 2019

Es ist wieder Zeit für Bilanzen. Das Jahr 2019 ist vorbei, und wir wollten erneut von unseren Autor*innen wissen, welche fünf Veröffentlichungen bleiben werden. Hier sind ihre Listen und Antworten:

HOLGER BACHMANN (in loser Reihenfolge)
James Starlin/Jim Aparo: „Batman: Ein Todesfall in der Familie“ (Panini)
Trotz aller Story-Unglaublichkeiten: der durchaus legendäre Abgesang auf den ungeliebten Robin Jason Todd.

Jeff Lemire/Max Fiumara: „Black Hammer: Doctor Star“ (Splitter)
Bewegend und mitreißend: ein Spin-Off aus Jeff Lemires brillantem Black-Hammer-Universum.

Christophe Bec/Dejan Nenadov: „Fulgur Band 1-3“ (Splitter)
Jules Verne trifft auf H. G. Wells: wohliger viktorianischer Science-Fiction-Flair bei einer abenteuerlichen Untersee-Expedition.

Ronan Toulhoat/Robin Recht u. a.: „Conan der Cimmerier 2-5“ (Splitter)
Jeder Band ein Highlight: gekonnte, fulminante Versionen einzelner Erzählungen von Robert E. Howard. Klarer Favorit: Band 4 mit der Tochter des Frostgiganten.

Pat Mills/Glenn Fabry u. a.: „Slaine Band 4“ (Dantes Verlag)
Conans rüpelhafter Bruder zu Lande, zu Wasser und in der Luft unterwegs. Bestes Underground-Futter!

EMANUEL BRAUER
5. Geoff Johns/Gary Frank: „Doomsday Clock“ (Panini)
4. Jeff Lemire/Max Fiumara: „Black Hammer: Doctor Star“ (Splitter)
3. Séverine Gauthier/Jérémie Almanza: „Herz aus Stein“ (Toonfish/Splitter Verlag)
2. Lee Loughridge/Rick Remender/Wes Craig: „Deadly Class“ (Cross Cult)
1. Tom King/Mitch Gerads: „Mister Miracle“ (Panini)

JONAS ENGELMANN
Luz: „Wir waren Charlie“ (Reprodukt)
Ezra Clayton Daniels/Ben Passmore: „BTTM FDRS“ (Fantagraphics Books)
James Sturm: „Off Season“ (Drawn & Quarterly)
Jaime Hernandez: „Is This How You See Me?“ (Fantagraphics Books)
Paula Bulling/Anne König: „Bruchlinien. Drei Episoden zum NSU“ (Spector Books)

LAURA GLÖTTER
Kieron Gillen/Jamie McKelvie: „The Wicked + The Divine“ (Image Comics)
Reinkarnationen von Göttern verschiedenster Religionen leben alle 90 Jahre unter uns. Das Comic kritisiert zugleich unsere überbordende Glorifizierung berühmter Persönlichkeiten und den Umgang mit dem modernen Starkultwesen.

Juan Díaz Canales/Juanjo Guarnido: „Blacksad“ (Carlsen)
Eine Fabel im Film-Noir-Stil, aufwendig aquarelliert, weshalb man immer (gerne) lange auf den nächsten Band wartet. Trotz Guarnidos Arbeit bei Disney und anthropomorpher Besetzung ist der Plot realistisch und brutal.

Enrico Marini: „Batman. Der Dunkle Prinz“ (Panini)
Sehr schönes Artwork und ein Joker im neuen Glamrock-Clown-Look. Marini bedient sich bekannter und gut funktionierender Batman-Tropes, um eine klassische Batman-Krimi-Detektiv-Geschichte zu erzählen. Zudem eine Seltenheit: ein Batman-Comic geschrieben und gezeichnet von einem Europäer.

Rachel Smythe: „Lore Olympus“ (Webtoon)
Ein Webcomic, der 2019 für den Eisner Award nominiert war und die griechische Mythologie und deren Götter in modernen Kontext setzt, ohne die Mythen einfach nachzuerzählen.

Neil Gaiman/Colleen Doran: „Snow, Glass, Apples“ (Dark Horse)
Eine Kurzgeschichte von 1994, die 2019 als Comic adaptiert wurde. Er erzählt das Märchen von Schneewittchen aus Sicht ihrer Stiefmutter und stellt eine Horror-Version der Erzählung in detailreicher Jugendstiloptik dar.

CHRISTOPH HAAS
5. Mawil: „Lucky Luke sattelt um“ (Egmont)
4. Yann, Olivier Schwartz: „Atom Agency Band 1“ (Carlsen)
3. Pascal Rabaté: „Zusammenbruch“ (Reprodukt)
2. Roxanne Moreil/Cyril Pedrosa: „Das Goldene Zeitalter“ (Reprodukt)
1. Frank Schmolke: „Nachts im Paradies“ (Edition Moderne)

ANDREA HEINZE
5. Julia Bernhard: „Wie gut, dass wir darüber geredet haben“ (Avant-Verlag)
4. Katharina Greve: „Die dicke Prinzessin Petronia“ (Avant-Verlag)
3. Moki: „Sumpfland“ (Reprodukt)
2. Posy Simmonds: „Cassandra Darke“ (Reprodukt)
1. Tina Brenneisen: „Das Licht, das Schatten leert“ (Edition Moderne)

MICHAEL HOCHHAUS
5. Nicolas Petrimaux: „Shooting Ramirez Band 1“ (Schreiber & Leser)
Wer 2019 mal auf Cons und Festivals unterwegs war, dem konnte wohl nur schwerlich ein riesiger Pappaufsteller entgehen, vor welchem meist falsche Bärte, Perücken und ein Staubsauger lagen… An „Shooting Ramirez“ konnte man dieses Jahr eigentlich nicht vorbeikommen (und ja, die Fotos von euch, die dort gemacht wurden, geistern durchs Internet – herzlichen Glückwunsch!). So viel Spaß, Spannung, Coolness und durchgeknallte Ideen hatte man dieses Jahr sonst in keinem Comic gesehen. Dazu rasante, hochgestylte Zeichnungen, bei denen das freudige Leserherz höherschlägt. Nicht unbedingt das Anspruchsvollste, was es dieses Jahr zu lesen gab, aber vermutlich das Coolste! Na hoffentlich erscheint bald Band 2.

4. Gabriel Bá/Gerard Way: „The Umbrella Academy“ (Cross Cult)
Eigentlich bin ich kein großer Netflix-Freund. Neben den wenigen Irishmans, Romas und Marriage Storys gibt es dort viel zu viele Brights, Mutes und Six Undergrounds, die einem den Spaß an Filmen ordentlich verderben können. Aber seien wir ehrlich, ohne Netflix‘ Verfilmung hätten wir wohl keine Neuveröffentlichung von Gerard Ways und Gabriel Bás extravaganter Superheldenserie bekommen. Größer, schöner und vollständiger erleben wir nach 10 Jahren endlich, wie diese tolle X-Men-Variante für coole Kids weitergeht!

3. Pat Mills/Simon Bisley u. a.: „Slaine“ (Dantes Verlag)
Ich war noch einen Ticken zu jung, als Bastei den guten alten Slaine nach Deutschland brachte. Leicht sabbernd stand ich vor den Bänden mit Simon Bisleys hypnotisch-farbenfrohen Spektakelgemälden. Doch leider wollte der damalige Coverpreis so gar nicht zu meinem monatlichen Taschengeld passen. Nun bringt der umtriebige Dantes Verlag eine chronologische, vollständige Ausgabe von Englands Krieger Nr. 1 heraus, und 2019 erschien mit „Der gehörnte Gott“ DAS Highlight der Reihe, das auf keinen Fall neben der ähnlich wunderbaren Conan-Classic-Collection von Panini fehlen darf. Bisley bei „2000 AD“, da geht nicht viel drüber. Jetzt endlich auch bei mir daheim!

2. Joe Bennett/Lee Garbett/Al Ewing: „Bruce Banner: Hulk“ (Panini)
Das Comicjahr 2019 zeichnete sich nicht unbedingt durch Überraschungen aus. Lemires neue Serie ist wie spannend? Natürlich „unglaublich“. Chris Wares neues Werk ist wie anspruchsvoll? Natürlich „besonders“. Eine Überraschung gab es dann aber doch: Al Ewings neue Hulk-Serie. Ewing schafft es, seine Hulk-Ballade sowohl modern und hintersinnig als auch nostalgisch wirken zu lassen. Die Serie erinnert an Peter Davids herausragenden Run um den reisenden grünen Goliath, schafft es dabei aber, überraschend und spannend zu bleiben. Ein Highlight im aktuellen Marvel-Kosmos.

1. Alain Ayroles/Juanjo Guarnido: „Der große Indienschwindel“ (Splitter Verlag)
Deadpool und Harley können einpacken: Der Antiheld des Jahres 2019 ist Pablos, ein runtergekommener Schelm, der uns und seinem Gegenüber seine tolldreiste Geschichte über die Entdeckung El Dorados erzählt. Die Story, die zunächst wie die übliche, oft gelesene Abenteuer-Geschichte anmutet, wandelt sich im Laufe der 160 zum Sterben schön gezeichneten Seiten zu einer ereignisreichen, nachdenklichen und mit tollen Twists gespickten Erzählung – und meinem persönlichen Comic des Jahres.

SVEN JACHMANN
Da ich von einer weiteren Redaktion um zehn Jahresfavoriten gebeten wurde, möchte ich sie an dieser Stelle gerne aus Komplettierungszwängen ergänzen:

10. Fil: „Stups & Krümel. Megasammelband“ (Reprodukt)
9. George Herriman: „Krazy Kat. Die kompletten Sonntagsseiten“ (Taschen)
8. Schwarwel: „Gevatter“ (Glücklicher Montag)
7. Katharina Greve: „Die dicke Prinzessin Petronia“ (Avant-Verlag)
6. Posy Simmonds: „Cassandra Darke“ (Reprodukt)

5. Tillie Walden: „West, West Texas“ (Reprodukt)
Tillie Walden zeichnet (und veröffentlicht) schneller als ihr Schatten. Mit 23 Jahren hat sie schon, neben diversen kleineren Arbeiten, drei dicke Brocken print und online herausgebracht. Sei es SciFi-Epos, autobiographische Coming-of-Age-Erzählung oder wie hier das Road Movie eines surrealistischen Lynch-Amerika: Jede Form, und möge sie zunächst noch so auserzählt wirken, wird mit einem feministischen Kern versehen. Und das Unfassbare daran: Ihre großen Meisterwerke scheinen uns ja noch bevorzustehen!

4. Frank Schmolke: „Nachts im Paradies“ (Edition Moderne)
Mit dem Taxi straight ins Herz der Finsternis – nur dass das Grauen hier nicht im Urwald sein Regime errichtet hat, sondern auf dem Oktoberfest Hege und Pflege erhält. Manche Szene lässt zu Beginn eine heitere Anekdote erwarten, aber die Fallhöhen bleiben ausnahmslos furchterregend. Es sind ausgerechnet die Noir-Elemente des Plots, die die dargebotene Tristesseballung (physische, sexuelle und nicht zuletzt strukturelle Gewalt) überhaupt noch erträglich machen, und das ist ein ziemlich beunruhigender Befund.

3. Alain Ayroles/Juanjo Guarnido: „Der große Indienschwindel“ (Splitter Verlag)
Fast 60 Jahre nachdem das Unzuverlässige Erzählen zur postmodernen narratologischen Praxis erklärt wurde, treten Guarnido und Ayroles ziemlich verschlagen den Beweis an, wie sich über Form und Inhalt als untrennbare Elemente Politik machen lässt. Die erzählerischen Finten sind hier keine eitle Formspielerei, sondern ein Lehrstück darüber, was geschieht, wenn man sich als Rezipient zu willfährig dem erzählenden Strippenzieher überlässt (und sein Vertrauen sollte man hier nichts und niemandem mehr schenken: keiner Figur, keinem Erzähler, keiner Genre-Formel, und schon gar nicht den Bildern!) – plötzlich wird die Geschichtsschreibung zum Spielplatz für zweckrationale Demagogen, Wahrheit zum Auslaufmodell. Kommt einem heute irgendwie bekannt vor? Guarnidos Zeichenkunst ist, wenig überraschend, famos, aber was Ayroles als Autor und Szenarist leistet, lässt die Masse des zeitgenössischen frankobelgischen Genre-Comics mit Siebenmeilenstiefeln hinter sich.

2. Luz: „Wir waren Charlie“ (Reprodukt)
Luz überlebte das Attentat auf „Charlie Hebdo“ und ruft anhand seiner eigenen Blattkarriere in Erinnerung, wofür das Magazin stand und steht. Es ist unfassbar traurig, wie lustig ihm das gelingt, gleichwohl Ambivalenzen reichlich Platz eingeräumt wird. Eine Lektion in Haltung, Humor und natürlich auch Überlebenswillen.

1. Nick Drnaso: „Sabrina“ (Blumenbar)
Ein, im Moment vielleicht sogar der Comic zur Zeit: Perspektivisch nahe an der Verzweiflung, trotzdem absolut präzise in der Beobachtung anomischer Prozesse und ihrer Auswirkung auf die Mikroebene. Der Booker Prize wäre angebracht gewesen.

JAKOB KIBALA
5. Geoff Johns/Gary Frank: „Doomsday Clock“ (Panini)
Comic von Reißbrett, der hervorragend funktioniert, weil zwei gestandene Veteranen ihr ganzes Talent in die Waagschale werfen. Die perfekte Umsetzung eines unmöglichen Konzepts.

4. Alan Moore/Kevin O’Neill: „The League of Extraordinary Gentlemen: The Tempest“ (Top Shelf/Knockabout Comics)
Trauriger Abschied von Alan Moore & Kevin O’Neill: Die beiden Comic-Meister gehen in Rente und rechnen unterwegs mit der Comic-Industrie ab. Ganz bittere Medizin.

3. Robert Kirkman/Charlie Adlard: „The Walking Dead #193“ (Cross Cult)
Dieses Ende kam vollkommen überraschend: Ohne Vorankündigung haben Kirkman & Adlard ihren Schnelldreher unter den Horror-Comics eingestellt. Der Schlusspunkt ist ein nachdenklicher Epilog, der perfekte Abschiedsgruß an den TWD-Kosmos und seine Überlebenden.

2. Ed Brubaker/Sean & Jacob Philipps: „Criminal“ (Image Comics)
Brubaker, Philipps & Philipps bedienen unsere Lust am Unglück anderer Menschen. Dadurch fühlen wir uns aber auch wie die Mittäter der wirklich furchtbaren Personen, die „Criminal“ bevölkern.

1. Marie Weber: „The Seminar“ (Colorama)
Ein schmaler Comic, der aus seiner schlanken Prämisse eine erstaunliche, kleine soziologische Studie entwickelt: Vier junge Frauen werden in einem Bewerberinnen-Seminar auf ihre Job-Skills geprüft – doch die Machtdynamik zwischen Seminarteilnehmerinnen und den Leiterinnen dreht sich mit der Zeit.

GERRIT LUNGERSHAUSEN
5. George Herriman: „Krazy Kat (1935–44)“, hg. von Alexander Braun (Taschen)
4. Steffen Kverneland: „Ein Freitod“ (Avant-Verlag)
3. Margaret Atwood/Renée Nault: „Der Report der Magd“ (Berlin Verlag)
2. Nick Drnaso: „Sabrina“ (Blumenbar)
1. Chris Ware: „Rusty Brown“ (Pantheon)

PETER MENNIGEN
Alex Raymond/Fred Dickenson: „Rip Kirby Band 8“ (Bocola Verlag)
Meisterhaft geschrieben und gezeichnet vom genialen Alex Raymond zeigt die Publikation seine letzten Arbeiten. Nach Raymonds Unfalltod Ende 1956 übernahm der Zeichner John Prentice die Reihe. Ihm gelang das bemerkenswerte Kunststück, den Comic um den smarten Privatdetektiv Rip Kirby und dessen etwas schrulligen, dazu mit einer kriminellen Vergangenheit behafteten Butler Desmond auf demselben hohen Niveau fortzuführen. Der achte Band der Reihe beinhaltet die Jahrgänge von 1955 bis 1956 der an die cineastische „Film Noir“-Reihe erinnernden Serie mit ihren ausgefeilten Storys um den optisch an Cary Grant erinnernden Privatdetektiv, den wunderschönen Femme fatales und Alex Raymonds fotorealistischen Zeichnungen. Obwohl die Comics bereits Jahrzehnte alt sind, wirken sie frisch, modern und sind somit zeitlos.

Mark Millar/Olivier Coipel: „The Magic Order“ (Panini)
Geschrieben von dem Schotten Mark Millar und gezeichnet von dem Franzosen Oliver Coipel handelt die sechsteilige Miniserie von einem Machtkampf unter Magiern, die eigentlich die Menschheit seit Jahrhunderten vor übersinnlichen Gefahren bewahren. Das Ergebnis ist ein hochinteressanter Comic voller überraschender Wendungen, zu dessen Erfolg auch die herausragenden Zeichnungen von Oliver Coipel beitragen. Vor allem aber ist es die Art und Weise, wie Mark Millar diese Rachestory entfaltet, mit welchem Einfallsreichtum er die einzelnen Morde an den „guten“ Magiern in Szene setzt, was die Geschichte so lesenswert, spannend und unterhaltsam macht.

Hugo Pratt: „Corto Maltese: Tango“ (Schreiber & Leser)
Ich habe ein Faible für Geschichten, die von unerwarteten Ver- und Entwicklungen während einer einzigen Nacht erzählen. So wie in den Filmen „American Graffiti“ von George Lucas, „Kopfüber in die Nacht“ von John Landis oder „Die Zeit nach Mitternacht“ von Martin Scorsese. In dem Comicalbum „Tango“ von Hugo Pratt erlebt sein Held das Abenteuer ebenfalls in einem solch zeitlich engen Rahmen. Wie der Titel erahnen lässt, hat es Corto Maltese dabei nach Argentinien verschlagen. Ausgangspunkt einer ungewöhnlichen Nacht in Buenos Aires ist Cortos Suche nach dem Mörder einer Bekannten, die ihn um Hilfe gebeten hatte, und deren vermisster dreijähriger Tochter. „Tango“ ist sehr atmosphärisch, spannend, aber auch poetisch und zieht den Leser mit jeder Seite mehr in seinen Bann.

Barry Windsor-Smith/Roy Thomas: „Conan Classic Collection Band 1“ (Panini)
Zugegeben, mit 856 Seiten Umfang und einem imposanten Preis ist die Publikation kein Leichtgewicht. Die Geschichten spielen in grauer Vorvorzeit, dem „Hyborischen Zeitalter“. Der muskulöse Held stammt aus dem rauen Land Cimmerien und ist, wie sein Beiname „der Barbar“ schon erahnen lässt, ein Verfechter archaischer Konfliktlösungen. Das Buch beinhaltet Nachdrucke der „Conan“-Comics des US-Verlages Marvel. Die ersten Hefte erschienen bereits 1970 und begründeten den legendären Ruf des britischen Zeichners Barry Windsor-Smith. Neben den Comics enthält der Prachtband Unmengen an Bonus- und Informationsmaterial. Auch heute noch, nach all den Jahrzehnten bereiten mir die Conan-Geschichten ein besonderes Lesevergnügen, ohne auch nur eine Sekunde Langeweile. Kann man Besseres über einen Comic sagen?

Ed Brubaker/Sean Phillipps: „Kill or be Killed“ (Splitter Verlag)
Geschrieben von Ed Brubaker und grafisch mit fotorealistischem Strich umgesetzt von Sean Phillipps wurde die abgeschlossene Serie in vier hochwertigen Hardcoveralben veröffentlicht. Im Kern geht es bei der Story um Selbstjustiz, ein im Comic weit verbreitetes und im Superheldengenre alltägliches Thema. Der jugendliche Protagonist namens Dylan schließt – nach einem Selbstmordversuch wegen einer Freundin – einen Pakt mit einem Dämon. Laut Vereinbahrung muss er jeden Monat einen Menschen töten, andernfalls wird er selbst getötet. Wobei die Frage offenbleibt, ob dieser Dämon tatsächlich existiert, oder ob der etwas unorthodoxe Held ein halluzinierender Geistesgestörter ist. Brubaker erweist sich wieder einmal als großartiger Erzähler, der selbst so ein schräges Szenario sehr realistisch und glaubwürdig zu Papier bringt. Für mich zählt er zu den besten Comicautoren unserer Zeit.

STEFAN MESCH
5. Maaike Hartjes: „Das Burnout-Tagebuch“ (Patmos Verlag)
Illustratorin Maaike Hartjes ist nach einer Deadline plötzlich ausgebrannt, freudlos und erschöpft. In bunten, verspielten Collagen mit viel Washi-Tape, Fundstücken und Karikaturen versucht sie, sich die Freude am Freiberufler-Leben und kreativen Arbeiten zurückzuholen. Kein Buch, das Menschen mit schweren Depressionen hilft – doch toll für Kreativarbeiter*innen, die einen kleineren, leichteren Hänger haben.

4. Maia Kobabe: „Gender Queer“ (Lion Forge)
Maia Kobabe hielt sich lange für eine lesbische Frau. Heute benutzt e die Pronomen „e“, „em“ und „er“: Maia ist ein*e nicht-binäre Autor*in. Ers Buch „Gender Queer“ erzählt in simplen Zeichnungen und zugänglichen, klaren, aber psychologisch komplexen Episoden von ers Selbstfindungsprozess. Kein wütendes oder aktivistisches Buch – aber eine Einladung, Geschlechterrollen und -barrieren zu überwinden.

3. Shuuzou Oshimi: „A Trail of Blood“ (Shogagukan)
Ein Junge, noch recht am Anfang der Pubertät – und seine nervöse, überfürsorgliche, labile Mutter: „A Trail of Blood“ ist ein Grusel- und Psycho-Thriller-Manga, der zwei angespannte Figuren über Monate in gefährlichen und pathologischen Schwebezuständen hält: Hilft hier Verständnis? Eine Therapie? Drüber-Reden und Grenzen-Setzen in der Familie? Oder sollte Schuljunge Seichi nur schreien – und seiner gemeingefährlichen Mutter entkommen? Erzählkunst in knappen Sätzen und Bildern, die man nie vergisst.

2) Shannon Hale/Leuyen Pham: „Best Friends“ (Macmillan)
Shannon Hales „Wie findde ich Freundinnen in der Grundschulzeit“-Comic „Real Friends“ war mir zu simpel und harmlos. Die (für sich allein verständliche) Fortsetzung „Best Friends“ zeigt das soziale Mit- und Gegeneinander in der siebten Klasse in den 80er Jahren. Ein autobiografischer Comic übers Erwachsenwerden mit Zwangsstörungen und über die Schubladen, in die junge Frauen steckten, stecken, gesteckt werden – einladend gezeichnet und geschrieben, doch überraschend intensiv!

1. Mira Jacob: „Good Talk“ (One World)
Mira Jacob, Prosa-Autorin, deren Eltern aus Indien in die USA einwanderten, führt Gespräche mit ihrem jungen Sohn, ihrem jüdischen Partner, ihren Trump-wählenden Schwiegereltern: übers Dazugehören und Anders-Sein, über Solidarität, Amerika, rassistische Angriffe und eigene Rassismen. Gezeichnet sind nur die (von Fotos abgepausten?) Figuren: Alle Hintergründe sind grobkörnige Digitalaufnahmen. Was als reiner Prosa-Dialog recht vage klänge, wird in Bild-Text-Montagen spezifisch und packend: „echte“ Menschen, tiefe Gräben, brennende Fragen – in einer toll innovativen Erzählform. Ein Muss!

PETER OSTERIED
Robin Recht: „Conan der Cimmerier: Ymirs Tochter“ (Splitter)
Cory Walker/Robert Kirkman: „Invincible Band 1“ (Cross Cult)
Sean Murphy: „Batman: Der Weiße Ritter“ (Panini)
Tillie Walden: „West, West Texas“ (Reprodukt)
Stjepan Sejic: „Sonnenstein: Mercy Band 1“ (Panini)

MATTHIAS PENKERT-HENNING
5. Alain Ayroles/Juanjo Guarnido: „Der große Indienschwindel“ (Splitter Verlag)
4. Cory Walker/Robert Kirkman: „Invincible Band 1“ (Cross Cult)
3. Tom King/Mitch Gerads: „Mister Miracle“ (Panini)
2. Stan Sakai: „Usagi Yojimbo“ (Dantes Verlag)
1. Claudya Schmidt: „Haunter of Dreams“ (Splitter Verlag)

SONJA STÖHR
5. Vincent Perriot: „Negalyod“ (Carlsen)
4. Luke Pearson: „Hilda und der Bergkönig“ (Reprodukt)
3. Renée Nault: „Der Report der Magd“ (Berlin Verlag)
2. Tillie Walden: „West, West Texas“ (Reprodukt)
1. Cyril Pedrosa/Roxanne Moreil: „Das Goldene Zeitalter Band 1“ (Reprodukt)

BERND WEIGAND (in loser Reihenfolge)
Alain Ayroles/Juanjo Guarnido: „Der große Indienschwindel“ (Splitter Verlag)
Wird dem Hype tatsächlich gerecht: turbulenter, leicht wirrer Beginn, dann Staunen beim Leser, und am Ende ist man völlig von den Socken. Auch was die Zeichnungen betrifft.

Jacques Martin/André Juillard: „Arno Gesamtausgabe“ (Comicplus)
Geschrieben von Altmeister Jacques Martin und in bestem franko-belgischen Realismus inszeniert von André Juillard: schon fast ein Klassiker, jetzt endlich wieder erhältlich als Gesamtausgabe.

Olivier Vatine/Alberto Varanda: „Die lebende Tote“ (Splitter Verlag)
Weil die großartige Sci-Fi/Horror-Mischung aus Frankenstein- und Lovecraft-Motiven im Comic Talk viel zu sehr verrissen wurde.

Vittorio Giardino: „Jonas Fink“ (Salleck)
Nach über 20 Jahren schließt der Italiener Vittorio Giardino seine Reihe um den Jungen ab, der im Kommunismus aufwächst und später den Prager Frühling erlebt. Klare realistische Linie und eine großartige Story.

Mawil: „Lucky Luke sattelt um“ (Egmont)
Der Berliner Mawil zeigt, wie man einem altgedienten Helden neuen Esprit einhaucht, ohne dessen Historie zu verraten und legt den besten Lucky Luke Band seit etlichen Jahren vor.

ANDREAS WOLF
5. Franziska Ruflair: „Adventure Huhn“ (Avant-Verlag)
Eine humorvolle Auseinandersetzung mit popkulturellen Erzeugnissen in den Bereichen: Fantasy, Rollenspiele, Videospiele etc. Das alles in wunderbarer Optik mit Figuren, die einem schnell ans Herz wachsen.

4. Jeff Lemire/Andrea Sorrentino: „Gideon Falls“ (Splitter Verlag)
Eine düstere Gänsehaut-Geschichte von Erzählmeister Jeff Lemire. Zusammen mit den Bildern von Andrea Sorrentino verschmilzt dabei alles zu einem beeindruckenden Horror-Gesamtkunstwerk.

3. Kat Howard/Tom Fowler: „Die Bücher der Magie“ (Panini)
Ein großartiger Ausflug in eine fantastische Welt voller verborgener Magie. Jeder Fan fantastischer Geschichten wird seinen Spaß daran haben, diese wiedererweckte Welt zu erkunden.

2. Sean Murphy: „Batman: Der Weiße Ritter“ (Panini)
Herausragend kreatives Szenario, das sich tiefgehend mit Batmans Welt auseinandersetzt und diese komplett auf den Kopf stellt. Schon oft wurde Batmans Welt neu erfunden, aber selten so intensiv wie hier.

1. Lee Loughridge/Rick Remender/Wes Craig: „Deadly Class“ (Cross Cult)
Streng genommen natürlich keine neue Reihe, sondern eine Neuauflage. Optisch und erzählerisch aber so gut abgestimmt, dass ich mich dem Bann nicht entziehen kann.